14.9.07 - Lucky You

Hinter der ziemlich hollywoodtypischen Dramaturgie mitsamt einer aufgesetzten Liebesgeschichte versteckt sich in eine erstaunlich präzise Reflektion über den Pokerboom im Allgemeinen, der World Series of Poker, und insbesondere deren Mainevent, der Weltmeisterschaft im No Limit Texas Hold’em. Es ist daher auch gewiss kein Zufall, dass der Film auf das Jahr 2003 datiert ist, das Jahr in dem der erste Internetqualifikant, Chris Moneymaker, den Mainevent gewonnen und damit den Pokerboom, wie wir ihn heute kennen, ausgelöst hat. In Lucky You ist es nämlich ebenfalls ein Internet-Amateur, der sich die heissbegehrte Trophäe erspielt, und dabei einen Veteranen der Pokerszene hinter sich lassen kann. Dieser Veteran, souverän gespielt von Robert Duvall, ist der Vater von Huck Cheever, gespielt von Eric Bana, der mit ihm seit Jahren im Clinch liegt, weil er ihm die Trennung von seiner Mutter nie verzeihen konnte. Sie pflegen seither eine unterkühlte, auf spielerischem Ehrgeiz gebettete Beziehung, deren einzige Chance, wieder auf ein gesundes Mass zurückzuschrumpfen, wohl im Spiel selbst liegt. Und so kommt es schliesslich dass sich Vater und Sohn am finalen Tisch der Weltmeisterschaft gegenübersitzen um womöglich den Titel auszupielen, aber wohl vielmehr auch um das Kriegsbeil ein für allemal zu begraben. Nach einem kurzen Gespräch in einer Pause, in dem Huck erfährt dass sein Vater mit dem angestrebten dritten Weltmeistertitel an seiner letzten Chance zur Legendenbildung arbeitet, wird ihm bewusst dass er endlich bereit ist seinem Vater zu verzeihen und über seinen eigenen Stolz und Schatten zu springen. Und so kommt dann auch der entscheidende Moment den sein Vater mit “so, here we are” quittiert, in dem Huck seine fast unschlagbare Hand mit zwei Assen opfert, um seinem Vater, der genau weiss dass seine Hand mit zwei Königen schwächer ist, damit zu signalisieren dass er im verziehen hat, und ihm somit die Chance gibt seinen Traum zu verwirklichen. Doch wie sein Vater zuvor schon prophezeite, wird es für die alternden Superstars immer schwieriger den Mainevent zu überstehen - durch die enorme Menge an Amateuren wird das Spiel wieder unberechenbarer, und der Glücksfaktor spielt wieder eine grössere Rolle: und so verliert er dann auch tatsächlich gegen den Internetspieler, und zeichnet damit exakt die Situation im Jahre 2003 nach, als Veteran Sam Farah gegen Amateuer Chris Moneymaker die Segel streichen musste. Doch Farah ist nicht das einzige bekannte Gesicht das es in den Film geschafft hat - wer die WSOP regelmässig verfolgt wird hier fast alle relevanten Namen wiederfinden: von Chris “Jesus” Ferguson über Phill Hellmuth, Johnny Chan, Mike Matusow bis zur grössten Pokerlegende überhaupt, “Texas Dolly” Doyle Brunson, der dem Film sogar als Berater zur Seite stand, hier jedoch bereits früh in der Vorrunde ausscheidet - eine Situation die man in den letzten Jahren leider immer wieder beobachten konnte. Doch während Spieler wie Chris Moneymaker jedes Jahr aufs neue gegen ihren Ruf, nur ein One-Hit-Wonder gewesen zu sein, ankämpfen, so müssen sich die grossen Namen lange nichts mehr beweisen, denn sie ernten nach wie vor den Respekt, den sich sich teilweise über Jahrzehnte hinweg hart erkämpft und verdient haben. Und so ist Lucky You, neben einem ziemlich klassischen Vater-Sohn Konfliktdrama, auch ein Film der beinahe schon etwas wehmütig zurückblickt auf eine Pokerwelt die noch nicht von Internetspielern überwuchert war, die ihre Superstars von damals huldigt, und deren Legenden im altehrwürdigen Bionions Horeshore Casino weiterleben. Doch all diesen ehrbaren Ansätzen zum Trotz scheitert der Film als solches leider ausgerechnet an seinem Zugpferd, Eric Bana, der hier zu keiner Sekunde den Eindruck eines gewieften Pokerspielers vermittelt, sondern vielmehr den eines von allen geliebten Schwiegersohnes. Ähnlich geht es Drew Berrymore, die hier in einer völlig farblosen Liebesgeschichte ebenso wenig überzeugt - einzig Robert Duvall kann einen lebensnahen Eindruck seines Charakters vermitteln. Handwerklich ist Lucky You dagegen einwandfrei umgesetzt, nur ist sein dramaturgisches Konstrukt nicht immer das Stärkste - die verzweifelte Hatz nach dem Startgeld für das Hauptturnier nimmt nicht nur zuviel Zeit in Anspruch, sondern bisweilen auch etwas alberne Züge an (die Golfwette, der Fehler mit der vergessenen Burncard, die Mafiosis etc.), so wie er sich auch sichtlich schwer tut, seine Geschichte nicht allzu vorhersehbar und transparent zu gestalten. Auch sollte man dem Poker nicht allzu fremd sein um die Feinheiten des Films besser verstehen zu können, auch wenn er sich sichtlich Mühe gibt und soviel Erklärungen wie nötig miteinfliessen lässt um auch den weniger Poker-affinen Publikum den Zugang zum Film und der Faszination und den Schattenseiten von Poker zu erleichtern. Und so findet er im Laufe der Handlung doch noch zu einer ganz passablen Mixtur aus Charakterdrama und Pokeraction, und gefällt vor allem wegen seiner lebendigen Pokerszenen, und weil es ihm ganz gut gelingt die Atmosphäre und Stimmung der Pokerwelt in Las Vegas einzufangen. Vielleicht wäre aus Lucky You sogar ein herausragender (Poker-)Film geworden, wenn Regisseur Curtis Hanson nicht versucht hätte so viele Themen auf einmal anzuschneiden - hier hätte dem Drehbuch eine Straffung auf das Wesentliche sicherlich ganz gut getan.

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