13.5.07 - La Rose de fer
Ein verliebtes Pärchen sucht Zuflucht auf dem wohl schönsten Friedhof der je auf Celluloid gebannt wurde - dem Schauplatz einer der subtilsten Horrorfilme überhaupt.
Regisseur Jean Rollin etabliert seinen jungen Protagonisten als dominanten und furchtlosen Beschützer, der dem Mädchen ein romantisches Picknick zwischen den Gräbern offeriert, zu dem sie sich jedoch nur zögerlich überreden lässt. Als sie dann aber im Liebestaumel alles andere um sich herum vergessen und die Dunkelheit hereinbricht, macht sich ein schleichender Rollentausch bemerkbar - der Junge zeigt plötzlich Angst und Unsicherheit, da er sowohl die Orientierung als auch den einzigen rationalen Anhaltspunkt, die Uhrzeit, verloren hat. Als sie sich daraufhin lautstark darüber beschwert, dass er sie nicht mehr zum Ausgang führen könne, scheint die Situation ausser Kontrolle zu geraten. Um Ruhe zu bewahren verpasst er ihr aus purem Akt der Verzweiflung einige Ohrfeigen, die ihn jedoch noch hilfloser und schwächer dastehen lassen als zuvor, während sich das Mädchen langsam aber sicher mit der Situation vertraut macht, Sympathien für die Toten und deren Ruhestätten empfindet, und sogar Todessehnsüchte ausspricht. Spätestens jetzt befindet man sich auf Rollins gewohntem Terrain, wo das vermeintlich so schwache Geschlecht eine ungezügelte und befremdliche Kraft offenbart, mit der die meist naiven und fleischeshungrigen Männer in ihr Verderben gelockt werden.
Während das Mädchen um die Gräber tänzelt und schelmisch mit Totenschädeln und Gebeinen spielt, zieht sie zunächst ungläubige Blicke, dann aber immer mehr auch seinen Zorn auf sich, bis sie ihn sogar derart erschreckt, als sie poetisch über das Leben und den Tod sinniert, dass er vor ihr flüchtet und in ein ausgehobenes Massengrab stürzt. Die darauffolgende Montage gehört zu den herausragenden Momenten des Films: ein perfekt inszenierter, unterschwellig bedrohlicher und hypnotischer Strudel aus brodelnder Musik und fantastischer Kameraarbeit. Überhaupt ist der gesamte Film eine einzige Augenweide. Neben dem bereits erwähnten Friedhof in seinen grauen, grünen und erdigen Tönen besticht vor allem der Kontrast zu der Kleidung des Pärchens, ein roter Pullover und eine gelbe Bluse, Signalfarben die Unheil verkünden, und die sich von der düsteren Szenerie unangenehm abheben. Vielleicht ist es die Bestrafung des jugendlichen Leichtsinns und der Respektlosigkeit, und der mehr oder weniger unfreiwilligen Grabschändungen während sie hektisch nach dem Ausgang suchen oder sich gegenseitig an die Gurgel gehen, die Rollin dazu veranlasst, seine Figuren nicht mehr aus dem Labyrinth der toten Seelen entkommen zu lassen.
Der Verzicht auf Übernatürliches ist angesichts des atmosphärischen Szenarios umso erstaunlicher, da es die Beziehung bzw. den Konflikt des Pärchens zum Leitmotiv erhebt, und allein daraus seine Schreckenswirkung erzielt. Mit La Rose de fer ist Rollin ein sinnlich morbides Meisterstück gelungen, das sich stilistisch und inhaltlich irgendwo zwischen seinen unheimlichen Vampirfilmen und Francos träumerischem Venus in Furs verortet, und ein beeindruckendes Beispiel dafür ist, wie wenig (2 Darsteller, 1 Örtlichkeit) es manchmal eigentlich braucht einen wunderbaren Film zu drehen.