9.3.07 - Under the Flag of the Rising Sun

Fukasakus Auswahl filmischer Inhalte ist bunt gefächert und zeugt von grosser handwerklicher Selbstsicherheit und thematischer Wandlungsfähigkeit. Neben zahlreichen Yakuzafilmen, für die er seine Bekanntheit in der westlichen Welt erlangte, hat er sich auch noch an diversen anderen Genres versucht, wie bspw. dem Samuraifilm, Sci-Fi Abenteuern oder diesem ungewöhnlichen Kriegsdrama. Ungewöhnlich deshalb, weil es die Geschichte Japans im zweiten Weltkrieg aus der Perspektive einer Frau erzählt, die ihren Mann im Krieg verloren hat, und die über 25 Jahre später immer noch nichts über die genauen Umstände seines Todes weiss, und diese quälende Ungewissheit aufzuklären versucht damit er endlich in Frieden Ruhen kann.

Es ist typisch für Fukasaku, dass sich der Einstieg zu seinen Filmen etwas holpriger gestaltet als man es vielleicht gewohnt ist, so auch bei diesem Film, nur, dass hier keine enorme Flut von Namen und Gesichtern auf einen herniederprasselt, sondern vielmehr eine verschachtelte Narration, die im Minutentakt Zeitsprünge in die Vergangenheit, zurück zur Gegenwart, und wieder zurück in eine jüngere Vergangenheit abhandelt um einen zeitlichen Rahmen abzustecken, bevor die Geschichte dann in bester Erzähltradition von Kurosawas Rashomon stückweise zusammengeführt wird. Überhaupt bedient sich Fukasaku erstaunlich vieler Stilmittel um seinem Film eine ganz eigene Färbung zu verpassen. Er experimentiert mit Archivaufnahmen, Standbildern, Zeitlupen und abwechselnden farb- und s/w Sequenzen, und kreiert daraus eine Symbiose zwischen dokumentarisch angehauchtem, und überdramatisiertem Stil, dessen Wechselwirkung durch den harten Schnitt meistens etwas sperrig wirkt, er die emotionale Distanz zu seinen Figuren aber dennoch überbrücken kann, was womöglich auf die Feder von Kaneto Shindo zurückzuführen ist (der sich ja schon für den herausragenden Onibaba verantwortlich zeichnete), der hier an einem Drehbuch mitwirkte welches ganz ähnliche Ansichten auf menschliche Reaktionen im Krisenzustand zur Schau stellt wie in Onibaba. Der Mensch wird im Krieg zur Bestie, zu einem Opfer der Umstände, der vom Überlebenstrieb gesteuert zu Dingen fähig ist, die sich kaum mehr rational erklären lassen - dennoch fühlt man mit den Soldaten mit, die sich an ihrem tyrannischen Vorgesetzten rächen, und die aus der Not heraus gar Ratten- oder Menschenfleisch verzehren. Die episodenweise Aufklärung des Mysteriums um den Tod des Soldaten wird parallel zu den Bildern aus der Vergangenheit mit den Zeugenberichten der Gegenwart abgeglichen, und nicht immer findet eine Deckungsgleicheit von Erzähltem und tatsächlich Erlebtem statt. Folgen eines langwierigen Verdrängungsmechanismus. Doch je weiter die Frau mit ihren Nachforschungen in das Dickicht der damaligen Ereignisse dringt, desto deutlicher und schmerzhafter werden die Bilder in ihrem Kopf, und desto genauer zeichnet sich die wirkliche Folge der Geschehnisse ab.

Der Film handelt vom Leid der Hinterbliebenen und der Opfer die den Krieg überlebt haben: die wenigen Zeugen werden als gequälte oder gescheiterte Existenzen eines trostlosen Nachkriegs-Japans dargestellt, die nach einem Sinn im Leben dürsten, und deren Schmerz sich in verbitterten Erinnerungen reflektiert. Der Krieg war für sie nicht nur eine blosse Momentaufnahme des Schreckens, sondern er ist ein lebenslanges Martyrium.

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