28.6.08 - Coming Home

Auch wenn Ashby den Soundtrack fast schon ein wenig überstrapaziert, so ist er mit Sicherheit einer der Schönsten der New Hollywood Ära: The Beatles, Tim Buckley, Buffalo Springfield, Bob Dylan, Arathea Franklin, Jefferson Airplane, Jimi Hendrix und The Rolling Stones - ihre Songs tranportieren das Zeitgeist-Gefühl der 68er Generation, des Vietnam-Krieges und der Zeit danach, die Coming Home auf eindringliche Art und Weise reflektiert.

Ashby formulierte mit diesem Film eine scharfe Kritik an der damaligen US-Administration: Coming Home handelt von invaliden Vietnamveteranen, die, wieder zurück in den Staaten, in überfüllten Krankenhäusern dahinvegitieren, und medizinisch und psychologisch nur dürftig versorgt und betreut werden. Dass er für diese Rollen mitunter echte Vietnamveteranen gewinnen konnte, macht seine eh schon traurige Geschichte umso tragischer - die Soldaten fühlen sich von der Regierung sträflich im Stich gelassen, ihre finanziellen, körperlichen und auch sexuellen Sorgen und Nöte bleiben weitgehend ungehört.

Neben der Kritik an der Verarbeitung des Vietnam-Traumas lässt Ashby vor allem aber auch den die dadurch bedingte Veränderung der Rolle der Frau in der Gesellschaft in seinen Film miteinfliessen, was in diversen Szenen deutlich zum Ausdruck kommt: z.B. als die jungen Frauen Ihre Männer am Flughafen in den Krieg verabschieden, und Sie, kaum zuhause angekommen, ihre Röcke ausziehen um diese gegen Hosen auszutauschen. Oder auch, als einer der Soldaten einfach nicht damit klarkommt dass seine Frau in seiner Abwesenheit einen (ehrenamtlichen) Job angekommen hat, was er dann auch mit einem erzürnten “I just dont want you to work!” quittiert. Eine neue Bleibe, ein neues Auto und eine neue Frisur (”What have you done with your hair?”) zeigen dass sich die Frau nicht nur selbst behelfen musste, sondern sich in gewisser Weise auch emanzipiert und unabhängig von ihrem Versorger gemacht hat, der mit dieser Selbstständigkeit und Selbstbestimmtheit jedoch völlig überfordert scheint.

Der entscheidene dramaturgische Kniff gelingt Ashby jedoch an einer anderen Stelle, und zwar dann, als eine Frau ihrem in den Krieg ziehenden Mann bei der Verabschiedung (nach dem vorerst letzten gemeinsamen Schäferstündchen) einen Ring überstreift, aber gleichzeitig ihre Skepsis ob seiner Treue formuliert, was dieser jedoch sofort scharf kritisiert und als Unfug abweist. Es ist dann auch Sie, die sich während seiner Abwesenheit in einen Invaliden, den sie im Krankenhaus betreut, verliebt, und ihrem Mann Untreu wird - die klassische Rollenverteilung scheint nun endgültig aufgehoben. Ihre Liebe mit dem Invaliden steht zwar von Anfang an auf wackeligen Beinen, ist aber auch von feinfühligen, repektvollen, sensiblen und voller ehrlicher und aufrichtiger Momente geprägt, und bildet einen starken Kontrast zu der zweckmässigen, formelhaften Ehe, die sie bisher geführt hat.

Mit der Rückkehr ihres Mannes aus dem Krieg, und der Konfrontation mit den neuen Tatsachen, schliesst Ashby seine präzisen Beobachtungen ab (obwohl das Kriegsende zu diesem Zeitpunkt noch garnicht so fern, und die Auswirkungen auf die Menschen an der Heimatfront noch gar nicht genau abzusehen waren). In einer hochemotionalen (fast schon ein wenig kitschigen) und treffsicheren Rede sinniert der War-Hero (wie es zynisch in grossen Lettern auf seiner Jacke gestickt ist) vor den jungen, hochmotivierten Soldaten von den Folgen des Krieges auf Ihn und seine Umwelt. Die schwierigere Auseinandersetzung folgt jedoch erst darauf, als er sich dem Zorn jenes Mannes aussetzen muss, dessen Stelle er in seiner Abwesenheit eingenommen hat. Der Soldat reagiert auf seine Frau und ihren Liebhaber höchst irrational und lebensmüde - mit Waffengewalt versucht er seiner Leere und seinen desillusionierten Gedanken eine Richtung vorzugeben. Doch ohne einen Schuss abzugeben löst sich die brenzlige schliesslich Situation auf, mit der Erkenntnis dass der Krieg auf allen Seiten Opfer gefordert hat, und die Reaktion beider Seiten nicht nur nachvollziehbar ist, sondern auch kein Fingerzeigen dabei hilft die Erlebnisse zu verarbeiten.

So bringt Ashby den Film genauso stark zuende wie er ihn angefangen hat, mit einem zutiefst verstörten Kriegsheimkehrer, der langsam aber sicher realisiert dass er und sein Umfeld sich unumkehrbar verändert haben, und der am Ende wortlos am Strand entlangwandelt um seine hochgekochten Emotionen in den tosenden Wellen des Meeres abzukühlen. Und obwohl Coming Home die Gefühle einer ganz bestimmten Generation und eines ganz bestimmten geschichtlichen Abschnitts in sich und seinen Songs trägt, ist seine Aussage und Inszenierung erfrischend zeitlos und auch heute noch gültig wie eh und je: die aktuelle US-Administration schert sich laut Medienberichten genausowenig um die traumatisierten, selbstmordgefährdeten, und seelisch zerrütteten Soldaten die aus dem Irak-Krieg zurückkehren wie damals, in Vietnam.

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