27.8.06 - Pierrot le fou


“Es darf nicht so gestellt aussehen.”

Zwei sich vermeintlich Liebende auf der Flucht nach vorn’ - ein Motiv dessen sich Godard schon in Ausser Atem bedient hat, und ein Spielchen dass er mit Pierrot le fou munter vorantreibt. Waehrend Laszlo Kovac, ein Name der uebrigens auch in Pierrot le fou kurz auftaucht, es aber nie aus Paris heraus schaffte, erreicht Belmondo hier als Pierrot immerhin noch das Meer - aber da Godards Figuren oft nur Abbild ihrer selbst sind, geht er dem unwiederstehlichen Charme einer Frau erneut auf den Leim, die ihn schliesslich ebenso im Stich laesst als er ihr just sein volles Vertrauen ausspricht. Kunst findet man bei Godard ueberall. Seine Protagonisten reden darueber, Godard inszeniert sie feierlich, und der Zuschauer versucht all das in einen griffigen Kontext zu fassen. Auf seine typische, selbstreflexive Art und Weise stoesst Godard einen Diskurs ueber die verschiedenen Kunstformen an, nimmt die seine dabei selbst nicht immer ganz so ernst, und laesst seine Figuren mitunter in Werbezeilen reden, Poesie aufsagen, ueber die Freiheit, die Existenz und den Sinn des Lebens sinnieren, oder einfach nur Referenzen an die Filmgeschichte lostreten. Wenn in einer Szene des Films Marianne die Schere auf und ab bewegt als wolle sie jemanden erstechen, in der naechsten Einstellung dann mit der Schere frontal das Bild durchtrennt, und in der uebernaechsten Szene ein Ganove mit der Schere im Hals am Boden verblutet, dann ist das eine ueberdeutliche Hommage an die beruehmte Mordwaffe aus “Dial M for Murder”, die Grausamkeit des Mordes in Psycho, an Hitchcock selbst, und an dessen herausragende Schnittechniken. Pierrot ist anfangs selbst auch noch am Film interessiert, als er Sam Fuller auf einer Party fragt ob er ihm das Wesen des Films erklaeren koenne, und dieser daraufhin erwiedert “A film ist like a battleground - love, hate, passion, violence and death. in one word - emotions.”, spaeter aber, als Pierrot selbst im Kino sitzt und sich dokumentarische Bilder aus Vietnam anschaut, dann doch wieder zum Buch greift (ironischerweise eines ueber moderne Kunst), dem einzigen Medium das offensichtlich seine volle Aufmerksamkeit und Hingabe geniesst. Pierrot ginge sogar so weit, und wuerde statt einer einzigen Platte lieber 50 Buecher kaufen da fuer ihn die Musik erst nach der Literatur kommt, jedoch sehr zum Groll seiner Begleiterin, die lieber singt und lauscht als pausenlos in ein Tagebuch zu schreiben oder Verse zu rezitieren. Und obwohl sich Godards Figuren oft wie jene auf den Gemaelden verhalten die mal hier mal dort sekundenweise eingeblendet werden, wie gelaehmt im Ausdruck, ohne Chance auf Veraenderung ihres jetzigen Zustands, reagieren sie wiederum erstaunlich emotional - aber es ist ja immerhin auch eine Liebesgeschichte.

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