8.1.08 - The Last Detail


“Drop your socks and grab your cocks, we’re going to a party.”

The Last Detail ist eine ziemlich aussergewöhnliche Tragikkomödie, deren New Hollywood-mässige Inszenierung nicht selten an Dennis Hoppers Easy Rider erinnert. Denn auch The Last Detail handelt im Prinzip von umherstreifenden Vagabunden, die hier zwar als Navy Soldaten auftreten, aber ganz ähnliche Intentionen hegen wie nur wenige Jahre zuvor Dennis Hopper und Peter Fonda. So sind sie zwar nicht auf dem Weg nach New Orleans zum Mardis Gras, sondern auf einer offiziellen Mission, einen unter Arrest stehenden Soldaten in einem Gefängnis in Boston abzuliefern, die in ihrem Verlaufe jedoch ähnlich chaotische, unkontrollierte Züge annimmt. Als die Beiden nämlich kurz vor ihrer Abreise erfahren, dass sie für diesen Auftrag mehr als nur die zunächst veranschlagten drei Tage, sondern gleich eine ganze Woche zur Verfügung haben, schmieden sie einen Plan: Sie wollen diese Zeit ausserhalb der Kasernenmauern so gut es geht auskosten, um ihren tristen Alltag bei der Navy wenigstens für einen Moment hinter sich zu lassen. Ihre Reise führt sie dabei auch quer durch das Land, zwar nicht mit dem Motorrad, dafür aber mit Bus und Bahn. Je mehr sie sich dabei ihrem Ziel nähern, desto länger verweilen sie an den Orten, die für Sie eigentlich nur zur Durchfahrt bestimmt sind. Doch statt so schnell wie möglich an ihr Ziel zu gelangen, kosten Sie lieber aus was die Städte ihnen bieten. So wird aus einer hochoffiziellen militärischen Mission langsam aber sicher ein rebellisches Ausbrechen aus dem formelhaften und von Regeln und Anweisungen und geprägten Alltag der Navy.

Ihr Schützling, auf den eine 8 jährige Gefängnisstrafe wartet, ist gerade mal 18, und Opfer eines unverhältnismässig hohen Urteils: er habe angeblich versucht 40 Dollar von der Frau seines Vorgesetzten zu stehlen, während dieser nun ein Exempel an ihm statuiert. Innerlich wie äusserlich fast noch ein Kind, bricht er, bei dem Gedanken daran was ihm bevorsteht, zu Beginn der Reise mehrere male beinahe zusammen. Billie und Mule, seine beiden Aufpasser, erkennen nach anfänglichen Zweifeln jedoch bald die Situation, und versuchen fortan ihm unterstützend zur Seite zu treten und es ihm so leicht und vergnüglich wie möglich zu machen: ob reueloses Betrinken, proletenhaftes Auftreten in eine Kneipe, ein (erfolgloser) Besuch bei seiner Mutter, oder schliesslich seine Entjungferung bei einer Hure - jede Station birgt für ein Stückchen mehr Lebenserfahrung, ein weiterer Schritt in Richtung Erwachsenwerden.

Da der Film nur kurz nach Ende des Vietnamkrieges entstanden ist, lässt sich aus der Figur des Jungsoldaten Larry eine subtile Kritik an der Vietnam-Politik der USA herauslesen: diese war ja auch u.a. dafür verantwortlich, dass viele unerfahrene Soldaten ihr Leben in Vietnam lassen mussten oder ein lebenslanges Trauma davontrugen. Ähnlich geht es auch Larry, der den Spass seiner beiden Aufpasser zunächst zwar mitmacht, aufgrund seines ihm bevorstehenden Gefängnisaufenthaltes aber dennoch ziemlich verstört wirkt, als wüsste er noch gar nicht so recht wie ihm geschieht - und so ist es auch kaum verwunderlich, dass er nach all den von Verpflichtungen und blinden Gehorsam losgelösten letzten Tagen in Freiheit er dennoch den Verstand verliert, und kurz vor dem Ziel schliesslich doch noch auszubüchsen versucht. Doch so rührend sich Billie und Mule diese wenigen Tage um ihn kümmern, so pflichtbewusst handeln sie weiterhin und führen ihren Autrag ordnungsgemäss, aber nicht ohne sichtliches Zähneknirschen, aus, wodurch der Film, um ein letztes mal die Parallele zu Easy Rider zu ziehen, sicherlich einen zynischen, wehmütigen Anstrich erhält. Ashbys Stil ist von einer ganz ähnlichen Schwerelosigkeit geprägt - er schafft es, mit Hilfe seiner illustren Figuren, das öde Grau und Braun, in die er seine Vereinigten Staaten von Amerika tüncht, lebhaft und nachfühlbar erscheinen zu lassen, nicht aber ohne einen ständige Dosis trauriger Gewissheit und Pessimismus mitzuführen, dass das Glück der Drei nicht für ewig währen wird. Die Lethargie jener Zeit spiegelt sich auch in den grobkörnigen, tristen Bildern wieder, und nur ganz selten lässt Ashby die Militärfanfaren und Trommeln ertönen, nur dann wenn mal wieder Aufbruch herrscht.

The Last Detail ist eine Momentaufnahme, eine Zeitgeistfilm, der ein ganz bestimmtes Gefühl transportiert und sich in einem ganz bestimmten zeitlichen Abriss verortet, und dennoch, das macht die meisten Filme aus dieser Ära so aussergewöhnlich, zeitlos und melancholisch entrückt wirkt, und daher selbst heute noch wunderbar funktioniert weil sie grundlegende existentielle Themen wie Freiheit, Individualität und Selbstbestimmung ansprechen. The Last Detail ist ein Stück New Hollywood in seiner puren Form: kritisch, humorvoll, düster, verträumt, experimentell und tiefgründig zugleich, eine äusserst gelungene Gratwanderung zwischen unbefangener Komödie und sozialkritischem Drama.

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