27.12.07 - Harakiri
Harakiri nimmt eine besondere Stellung im japanischen Nachkriegskino ein - augenscheinlich ein Samuraifilm, entblösst er im Verlaufe seiner Handlung jedoch immer mehr die fragwürdige Vorstellung des Ehrbegriffs und die damalig vorherrschenden feudalen Strukturen. Anders als in einem Chambara, einem Samuraifilm im klassischen Sinne wo der Schwertkampf im Vordergrund steht, ist Harakiri ein zutiefst berührendes Drama über einen herrenlosen Samurai, ein Ronin, der sich seinem Schicksal mutig entgegenstemmt und die maroden Verhältnisse eines Clans durch reine Erzählungen entblösst und in Einzelteile seziert. Regisseur Kobayashi und Rashomon-Drehbuchautor Hashimoto bauen diese Geschichte puzzleartig auf, enthüllen im Verlaufe der Rückblenden immer mehr pikante Details und Fakten über die zweifelhaften Machtstrukturen des Lyi-Clans, und offenbaren schliesslich das gesamte Ausmass des tragischen Schicksals einer Familie für das sich der Clan mehr oder weniger auch zu verantworten hat. Die perfekten Bildkompositionen in Schwarz/Weiss, gepaart mit den eindringlichen Klängen von Toru Takemitsu ergeben auch auf formaler Ebene einen höchst reizvollen Film. Die Kamera richtet sich ganz nach der Ästhetik der symmetrischen Architektur, mit langen statischen Einstellungen, die nur während besonders dramatischen Momenten aufgebrochen werden, wo die Kamera dann aber plötzlich eine ungeahnte Dynamik offenbart. Die drei letzten Rückblenden des Films zeigen schliesslich den Kampf Mann gegen Mann, der jedoch vielmehr für den Kampf des Individuums gegen das Kollektiv zu verstehen ist, als Allegorie die sich subtil durch die gesamte Inszenierung des Films windet und die gesellschaftlichen Verhältnisse der damaligen Zeit eindringlich reflektiert. Besonders tragisch dann als der Ronin, trotz eines letzten gewaltigen Aufbäumens gegen die starren Strukturen des Samurai-Codes, mit der symbolischen Zerstörung einer Rüstung die alten Traditionen niederreisst, sein eigenes Verständnis von Ehre und Moral verteidigt, um dann schliesslich an der schieren Übermacht seines Gegners zu scheitern. Am Ende werden alle Spuren beseitigt, die Ordnung wiederhergestellt, und die Fassade aufrecht gehalten - der Einzelne hat seinen Kampf verloren.