25.11.07 - The Roaring Twenties

Filmreihe: Humphrey Bogart (#4)

The Roaring Twenties gehörte wohl zu den letzten klassischen amerikanischen Gangsterfilmen seiner Art. Bogart spielt hier, wie auch schon in Angels with Dirty Faces, eine zwar nicht unwichtige Nebenrolle, überlässt das Parkett jedoch meist dem vielleicht Einzigen der ihm zu dieser Zeit in der Rolle eines Gangsters das Wasser reichen konnte, vor allem wegen dessen ungeheuren, unnachahmlichen Leinwandpräsenz. James Cagney und Humphrey Bogart teilten sich jedoch nicht nur die Gunst des Publikums in einigen Gangsterfilmen Ende der 30er Jahre, sondern zufälligerweise auch noch das Geburtsjahr und den Geburtsort, denn beide wurden sie im Jahre 1899 in New York geboren. Ein Wink des Schicksals, der zwei Ausnahmeschauspieler hervorbrachte die sich beide durch ihre Rollen als Gangster einen Namen gemacht haben, die unterschiedlicher aber nicht sein könnten: jeder einzigartig auf seine Weise, übte sich Bogart jedoch vielmehr in vornehmer Zurückhaltung und meist eher subtilerem Spiel, während Cagney als extrovertiertes Energiebündel geradezu ominpräsent seine Filme ausfüllte. Ein Aufeinandertreffen der Beiden versprach also stets ein aufregendes Duell zu werden, selbst wenn sie auch einmal auf der selben Seite kämpfen sollten. Hier jedenfalls gehören sie zu einem Film der wohl all das vereint, was man sich unter einer Zeitreise in das turbulente Amerika der 20er Jahre vorstellt. Jenem zeitgeschichtlichen Abschnitt in der amerikanischen Geschichte, der unter den Auswirkungen des ersten Weltkrieges und der Prohibition zu leiden hatte, deren Nutzniesser vor allem das organisierte Verbrechen war, welches unter diesen Umständen regelrecht aufblühte. Der Film versucht mit relativ einfachen Mitteln den Weg eines rechtschaffenen Bürgers in diese Kriminalität nachzuzeichen - Cagney spielt einen Kriegsheimkehrer der auf der Suche nach seinem alten Job auf Ablehnung stösst, und sich auch sonst ziemlich entfremdet und verlassen fühlt. Hier greift der Film ein Motiv vor, welches nur wenige Jahre später im Film Noir noch eine viel grössere Rolle spielen sollte. Doch anstatt desillusioniert und obsessiv in die Vergangenheit zu flüchten, gibt es für den Protagonisten im Gangsterfilm nur den Weg nach vorne, nach oben an die Spitze. Auch die Frauenrollen gewinnen hier zunehmend an Stärke und Präsenz, und erinnern bereits vage an die selbstbewussten Femme Fatales. Und doch ist The Roaring Twenties, bei aller Nähe zum Noir, immer noch ein geradliniger Gangsterfilm, linear erzählt, psychologisch selten tiefgründig, und garniert mit wohldosierten humorigen Einlagen, körperbetonter Action, typischem Gangsterslang, und dem Verrat an einstigen Freunden als klassischer dramaturgischer Wendepunkt. Doch der eigentliche Untergang von Cagneys Charakter ist, wie auch schon bei sein Aufstieg, weniger einer kriminellen Grundenergie zu verdanken, sondern vielmehr einem gesellschaftlichen Umschwung: dem schwarzen Dienstag, der 29. Oktober 1929, der totale Einbruch des Aktienmarkts der die USA in eine tiefe Finanzkriese, und eine noch tiefere Depression stürzen sollte. Die wilden Zwanziger waren so schlagartig vorbei wie sie gekommen waren, und mit ihnen auch das Imperium jener, die sich die Prohibition einst schamlos zu Nutzen machten. The Roaring Twenties ist der Inbegriff des klassischen Gangsterfilms - er vereint alles was einen gelungenen Gangsterfilm ausmacht und geht sogar noch darüber hinaus, indem er bereits mit der nächsten filmischen Epoche, die nur kurze Zeit später darauf folgen sollte, verschmilzt, und dessen Szenen selbst für viele neuzeitliche Gangsterfilme Vorbildcharakter besassen, wie jene Szene ganz am Schluss, in der Cagneys Schicksal auf einer Treppe besiegelt wird, ganz so wie Jahre später die Familie der Corleones endgültig zerbricht.

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