26.4.06 - Dear Wendy


Dear Dandy…

Sie sind selbstproklamierte Aussenseiter, sie bezeichnen sich als Dandies, und sie haben ihren eigenen Kleider-, Sprach- und Waffenstil. Diese nennen sie liebevoll “Lee & Grant”, “Lyndon”, “Badsteel” oder eben “Wendy”, und sie haben uns etwas zu sagen - im Rahmen ihres Mikrokosmos, der sich durch Waffe-Mensch Paerchen definiert, dessen Idee der Pazifismus mittels moralisch gestaerkten Rueckhalts der Waffe ist, und in dem nur jener ein Held sein darf, der die Waffe stets im Verborgenen haelt. Dass aber schon deren alleinige Praesenz dafuer ausreicht um den desillusionierten Jugendlichen neues Leben einzuhauen ist der erste spuerbare Ansatz einer Kritik die der Film dann zunehmends vertritt, und die den lockeren Umgang der Amerikaner mit ihren Waffen im wahrsten Sinne des Wortes unter Beschuss nimmt. Im Gegensatz zu Kriegsfilmen wie Full Metal Jacket, wo die Waffe noch gezwungenermassen als Personalisierungsobjekt fuer Krisenzeiten herhalten musste, ist sie nun ein Gegenstand der den ganz normalen Alltag ihrer Besitzer vereinnahmt. Eine Gefahr, die ueberhaupt erst gegen Ende des Films zur Geltung kommt und auch nur dann richtig Ernst genommen wird, als die Dandies ihre liebgewonnenen Spielzeuge mit einem “wake up” sanft aus dem Schoenheitsschlaf erwecken, und nun auch der Zuschauer sichtlich aus der grotesken Vorstellung gerissen wird, dass diesem extravagant organisierten Schuetzenverein eine Existenz- berechtigung durch dessen Pazifismusattituede zu teil sein wuerde. Die Dandies haben dieses Ende bereits vorausgesehen, unbewusst womoeglich, doch auf genau diese truegerische Naivitaet spielt sich die Kritik schliesslich ein. Das Drehbuch stammt ja ausgerechnet aus der Feder von Lars von Trier, einem Menschen der noch nie einen Fuss in die Vereinigten Staaten von Amerika gesetzt hat, der hier jedoch eine auesserst praezise und von den Medien gepraegte Vorstellungsgabe zur Schau stellt, die es uns erlaubt das Phaenomen des Waffenfetischismus aus einer aesthetisch sicher geglaubten Distanz zu verfolgen. Ueberhaupt ist von den einstigen Dogma-Ikonen Vinterberg und von Trier kaum mehr etwas zu erkennen, ausser vielleicht, dass sich die wenigen Schauplaetze von Dear Wendy aehnlich uebersichtlich strukturieren wie z.B. in Dogville, einem ebenfalls sehr kritischen und zynischen Werk welches versucht die Grundfesten Amerikas zum Einsturz zu bringen. Abgesehen davon ist Dear Wendy sehr aesthetisch in Szene gesetzt und bietet einen schoenen Soundtrack von den Zombies, deren Song “Time of the Season (for loving)” die Katharsis bereits erahnen laesst, bevor es dann wirklich an der Zeit ist “zu lieben”, dem dandiistischen Ausdruck fuer das Toeten.

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