19.5.06 - Requiem


“Was ich hab, kann man nicht roentgen.”

Michaela ist in einfachen Verhaeltnissen aufgewachsen, unter der fuersorglichen Obhut ihres Vaters und der strengen Hand ihrer Mutter. Ihr bescheidenes, laendliches Dasein bindet sie stark an den Katholizismus, und obwohl sie unter einer ausgepraegten Epilepsie leidet, schafft sie es dennoch sich gegen ihre Mutter durchzusetzen um im entfernten Tuebingen ein Studium zu beginnen. Dort erwartet sie das reizvolle Gespenst der Freiheit - eine eigene Bude, Partys und Maenner. Der Abnabelungsprozess gestaltet sich jedoch auch fuer Michaela zunaechst schwieriger als gedacht. Zu fest sind ihre Wurzeln in die Familie, zu religionsverdrossen die Menschen in ihrer neuen Umgebung, und zu verlassen fuehlt sich sich mit ihrem Problem. Zu ihren regelmaessigen krankheits- bedingten Anfallen gesellen sich ausserdem noch weitere Sympote, die teilweise bis zu Wahnvorstellungen kumulieren und schliesslich ihr gesamtes Umfeld auf den Plan rufen. Michaela zeigt ihren guten Willen und unterzieht sich freiwillig diversen medizinischen Untersuchungen, weigert sich jedoch vehement psychatrische Hilfe anzunehmen. Sie scheint hin- und hergerissen zwischen ihren ungleichen Eltern, den besorgten Freunden und einer Kirche, die sich zuletzt nur noch mit dem Exorzismus zu behelfen weiss.

Der langsam aber stetig voranschreitende Verlust ihrer geistigen und koerperlichen Stabilitaet wird besonders in der Schreibmaschinenszene deutlich, in der Michaela, wie einst Jack Torrence in Shining, an einer fuer sie bereits als unloesbar abgestraften Aufgabe scheitert, und dies zum Anlass nimmt noch weiter in den Strudel der Selbstaufgabe zu versinken. Womoeglich wurde Michaela Opfer ihres eigenen Weltbildes, und eines Umfeldes welches dies zu lange geschuert und aufrecht erhalten hat, mit dem fatalen Unvermoegen zwischen dem Glauben, der Medizin und einem gesunden Menschenverstand differenzieren zu koennen.

Die Staerke von Requiem liegt vor allem darin, die totale Ueberforderung jener Institutionen fein sauberlich herauszukaemmen, und dank einer voellig schnoerkellosen Inszenierung einen semi-dokumentarischen Hauch von Glaubwuerdigkeit zu vermitteln. Wobei sich da vor allem der zeitgeschichtliche Kontext aufdraengt, und die Tatsache dass der Film auf einer wahren Begebenheit beruht, damit dann aber auch ein wenig aufdringlich hausieren geht. Denn im Gegensatz zu inhaltsaehnlichen Filmen wie z.B. der Exorzist haelt er sich in der Darstellung der angeblichen Besessenheit durch den Teufel vornehm bedeckt, laesst die zahlreichen Diagnosen als beangstigende Ungewissheit zurueck, und somit auch den Zuschauer bis zuletzt im Unklaren. Eine mutige, aber keineswegs falsche Entscheidung den Film auf diese Art und Weise enden zu lassen, denn wer einmal selbst miterlebt hat was es bedeutet mit einer psychischen Krankheit fertig werden zu muessen, wird sich hier bei den verzweifelten Versuchen einer Rettung durchaus wiederfinden koennen.

Ein wenig Lokalpatriotismus fliesst in meiner Haltung dem Film gegenueber sicherlich mit ein, dennoch halte ich Requiem fuer einen ambitionierten aber leider auch zum Scheitern verurteilten Versuch dem neuen deutschen Kino wieder auf die Beine zu helfen, da er als eher unspektakulaerer Vertreter eines Subgenres sicherlich keinen Stilpreis gewinnen und daher auch kaum genug Aufmerksamkeit erhaschen wird, und wohl auch nicht die erhoffte Antriebswelle fuer den hiesigen Filmmarkt ist wie sich das viele seit der Berlinale wuenschen. Aber das macht ja nichts, denn Requiem gibt sich ja schliesslich selbst recht bescheiden, und hat damit, wenn auch vorerst nur im kleinen Kreis, bereits einen gewissen Achtungserfolg erzielt.

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