10.10.08 - Get Carter

Get Carter ist ein schwerer Brocken: sein Thema ist heikel (Kindesmissbrauch), und die rücksichtslose Vorgehensweise von Carter höchst fragwürdig. Es ist ein nihilistischer, grimmiger Rachefilm dessen Wurzeln im Film Noir zu finden sind: nicht nur durch seine obsessive, sich mit aller Macht ihrem Schicksal entgegen- stemmenden Hauptfigur, sondern vor allem auch durch den konsequent durchexerzierten düsteren Stil, der sehr viel Schatten, aber und nur wenig Sonne zulässt. Die eh schon pessimistische Grundstimmung vermischt sich im Laufe des Films dann immer stärker mit der überaus tristen Kulisse der britischen “working class” Realität, die mit mit ihren seelenlosen Industriekomplexen, hässlichen Hafenanlagen, normierten Arbeiterwohnvierteln und gigantischen Betonskeletten eine extrem unterkühlte Atmosphäre für Carters gnadenlosen Rachefeldzug bereitet.

Carter selbst bietet kaum Identifikationsfläche - er kennt nur ein einziges Ziel, und dies verfolgt er ohne Rücksicht auf Verluste. Echte Emotionen sind ihm nur ein einziges mal zu entlocken, und zwar dann als er realisiert was mit der Tocher seines Bruders geschehen ist. Selbst als eine seiner Bettgespielinnen, eingesperrt in seinem Kofferraum, von seinen Häschern im Hafenbecken versenkt wird, verzieht er kaum keine Miene - unangenehme, aber kaum zu vermeidende Kollateralschäden auf seinem rücksichtslosen Rachefeldzug. Noch schlechter geht es nur denen die ganz offensichtlich etwas mit dem Mord an seinem Bruder und dem Missbrauch an dessen Tocher zu tun haben: diese werden erstochen, erschossen, erschlagen oder vom Hochaus geworfen - jedes Mittel ist Carter recht um den Verantwortlichen einen Schritt näher zu kommen. Gezögert wird nicht lange, denn er selbst steht auf der Abschussliste seines ehemaligen Arbeitgebers, der Londoner Unterwelt. Je mehr er die komplexen Zusammenhänge der sozialen Oberschicht entlarvt, desto gnadenloser geht er vor und lässt dabei selbst seine Helfer jäh im Stich. Carter erabeitet sich seinen zweifelhaften Erfolg hart, doch letztendlich stellt sich die Frage, ob es das alles wirklich Wert war. Das Ende kommt zwar überraschend, ist letztendlich aber genauso konsequent wie Carters Vorgehensweise, und führt in all seiner Bitterkeit vor dass es in einem solchen Spiel nur Verlier geben kann.

Der erfrischend dynamische Schnitt, der herausragende agiernde Michael Caine, der dezent eingestreute Humor, der leichte Hang zur Exploitation und das stimmige Noir/60ies Flair machen Get Carter zu einem stilbildenden, und, trotz seines depremierenden Handlungsverlaufs, enorm unterhaltsamen Meisterwerk des britischen (Gangster-)Films, das seinem früheren Bruder im Geiste, Point Blank, in nichts nachsteht.

Einen Kommentar schreiben