27.7.08 - Roman Polanski: Wanted and Desired

Spannender Einblick in einen Skandal der Hollywood Ende der 70er Jahre erschüttert hat, bis zum heutigen Tage als ungelöst gilt, und selbst 30 Jahre später immer noch viel Raum für Interpretationen und Spekulationen über die involvierten Personen, die Medien und das Rechtssystem zulässt. Anhand zahlreicher Zeitungsschnipsel, Interviews und Filmausschnitte gelang Marina Zenovich eine lebendige Dokumentation über einen Filmemacher, einerseits erfolgreich und respektiert, anderseits aber immer auch als etwas merkwürdig und undurchdringlich wahrgenommen, und der vor den Vorwürfen, ein 13-jähriges Mädchen mit Drogen gefügig und sexuell missbraucht zu haben, für immer nach Europa floh.

Geschickt spielt der Film mit den verschiedenen Perspektiven: das Opfer und deren Mutter kommen ebenso zu Wort wie die Anwälte der Anklage und der Verteidigung, sowie nahestehende Freunde und Bekannte, nur von Polanski selbst und dem bereits verstorbenen Richter Rittenband gibt es keine aktuellen Aufnahmen sondern lediglich ältere Ausschnitte zu sehen. Das Abhaken diversen Stationen aus Polanskis turbulentem Leben (seine Mutter wurde von Nazis, seine Frau Sharon Tate von der Manson Familie getötet), bei denen der Film zunächst so wirkt als wolle er Polanski in die Rolle eines traumatisierten Opfers wiedriger Umstände schieben um Mitleid und Verständnis für sein Tun zu erregen, entgegnet Regisserin Marina Zenovich jedoch mit einigen gut platzierten Richtungwechseln, die vielmehr die richterlichen Beschlüsse und das Vorgehen der Anwälte in diesem Fall genauer ins Visier nehmen. Doch auch die Medien und das vermeintlich frühreife Mädchen werden zunächst kritisch beäugt. Am Ende jedoch ist es vor allem der um sein rechtschaffenes Ansehen bemühte Richter Rittenband, auf dem die grösste Last der Kritik liegt, welcher Polanski unbedingt für längere Zeit hinter Gittern sehen wollte, da er um seinen guten Ruf fürchtete, hätte er den vermeintlichen Kinderschänder nicht angemessen bestraft - seine “Hetzjagd” führte sogar soweit, dass sogar beide Anwälte beschlossen ihm und seinen halbseidenen Aussagen und willkürklichen Urteilen nicht mehr zu vertrauen. Polanski floh letztendlich für immer nach Europa, da auch er den Braten roch, bevor ihn Rittenband endgültig festnageln konnte.

Das eigentliche Problem an dem Fall war letztendlich, dass Polanski lediglich für einen von ingesamt 5 Punkten verurteilt werden konnte, und zwar für “unlawful sexual intercourse”, also Sex mit beidseitigem Einverständnis, welchen Polanski auch zugegeben hat (und mit 42 Tagen in Sicherheitsverwahrung einer Anstalt bestraft wurde), während für die anderen Anklagepunkte (Drogenmissbrauch, Vergewaltigung etc.) jedoch die dafür notwendigen Zeugenaussagen und Beweise fehlten. Doch Richter Rittenband schien auch diese Punkte mit in sein Urteil über Polanski einfliessen zu lassen, was letztendlich dazu führte dass es mehr zu einem Kreuzzug denn zu einer fairen Verfahren kam. Der Druck der Bevölkerung und der Medien war natürlich hoch - nichtsdestotrotz missbrauchte der Richter seine Position für einen persönlichen Feldzug der vor allem den beiden Anwälten, die ihm am nächsten standen, immer befremdlicher erschien.

Trotz aller Aufklärung um die Rechtslage und der Fakten bleibt der eigentliche Tathergang bis heute im Unklaren - was geschah damals wirklich, und welche Schuld trifft Polanski? Auf jeden Fall hatte er Geschlechtsverkehr mit einer Minderjährigen, ein Tatbestand der sicherlich nicht kleingeredet und auf keinen Fall ignoriert werden darf, und zurecht ein ziemlich unschönes Licht auf Polanski wirft. Nur wird durch den Film, nach Aufzeigen richterlicher Unzulänglichkeiten, so manche Motivation klarer ersichtlich, und seine Flucht nach Europa auch ein stückweit nachvollziehbarer. Letztendlich hatte er als Angeklagter das Recht auf eine faire Verhandlung, und im Zweifel gilt eben das Recht für den Angeklagten. Nur hatte er dieses wohl irgendwann nicht mehr in Aussicht.

Dennoch hinterlässt der gesamte Vorfall einen komischen Nachgeschmack, und auch die narrative Klammer die Zenovich ansetzt ist nicht ganz frei von einer Position, die der Film, und dass muss man ihm sicherlich zugutehalten, die meiste Zeit elegant versucht zu umschiffen: noch bevor das erste Bild zu sehen ist hört man Polanski über die Notwendigkeit der Darstellung des Versagens der Justiz, der Ungerechtigkeit und Korruption, die damals in Chinatown herrschte, erzählen, fast so als wolle er auch sich selbst als Opfer der Justiz darstellen. So gelingt Wanted and Desired schliesslich doch noch die Gratwanderung zwischen Anerkennung und Verachtung einer nicht unumstrittenen Figur der Film- geschichte zu wahren, ganz so wie es auch sein Titel andeutet. Die Fakten hat er geliefert - jetzt ist es am Zuschauer sich eine Meinung darüber zu bilden.

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