20.7.08 - What Ever Happened to Baby Jane?


“Someday it’s going to be you that’s getting all the attention.”

Ab und an gibt es Filme, und zwar meistens dann wenn man sie am wenigsten erwartet, die einen eiskalt überrumpeln. What Ever Happened to Baby Jane ist einer dieser Sorte. Robert Aldrichs Film gleicht am ehesten einer kongenialen Mixtur aus einer ordentlichen Portion Billy Wilders Sunset Blvd. und einer dezenten Prise Alfred Hitchcocks Psycho, besitzt aber trotz seiner thematischen und ästhetischen Analogien zu diesen beiden Meisterwerken der Filmgeschichte eine völlig eigenwillige Faszination: Aldrichs Film vermischt die Geschichte des eitlen Hollywood-Altstars mit der des psychopathisch shizophrenen Killers, und formt daraus eine subtile Horrorgeschichte (ähnlich Stephen Kings Misery), die den Zuschauer ganz heimlich, still und leise vereinnahmt, und ihn bis zur allerletzten Sekunde nicht mehr davon loslässt.

Aldrich etabliert noch vor den eigentlichen Titel-Credits die Vorgeschichte, die uns bereits erste kleine Anhaltspunkte über die düstere Vergangenheit des rivalisierenden Geschwisterpärchens Baby Jane und Blanche gibt, bevor die Erzählung dann sprungartig in der Gegenwart einsteigt. Wie viele von Hitcocks Filmen basiert auch Aldrichs What Ever Happened to Baby Jane vor allem auf suspenseartigen Szenen. Der Spannungsaufbau ist grossartig: wähnt sich der Zuschauer anfangs noch in Hoffnung, dass die an den Rollstuhl gebundene Schwester aus den Fängen Ihrer sadistischen Peinigiern entrinnen kann, wird diese im Verlaufe des Films immer wieder jäh zerstört. Sei es der geheime Hilferuf an die Nachbarin, das Telefonat mit dem Arzt, oder die misstrauische Haushälterin - immer dann, wenn der Zuschauer die Rettung von Blanche direkt vor Augen sieht, kommt ihr Baby Jane just in dem Moment zuvor. Die Spannung kumuliert in diesen Momenten derart, dass man Blanche am liebsten durch lautes zurufen auf die herannahende Bedrohung aufmerksam machen möchte.

What Ever Happened to Baby Jane ist erstaunlich minimalistisch und kammerspielartig inszeniert. Im Prinzip spielt sich der Film fast die gesamte Zeit zwischen dem Hausflur und Blanches Zimmer ab. Hier finden sich dann auch die meisten Ähnlichkeiten zu Psycho (die Nachbarin der Schwestern heisst zudem Mrs. Bates) - wie in Bates Motel wird auch das Haus von Blanche und Baby Jane von einer grossen Treppe dominiert, die das Reich von Baby Jane und das Zimmer von Blanche strikt voneinander trennt. Im Erdgeschoss regiert Baby Jane, im 1. Stock dagegen ist sie den Launen ihrer Schwester ausgesetzt. Einige der wunderschönen Kameraeinstellungen im Flur erinnern dann auch direkt an Hitcocks meisterhaften Psychothriller. Überhaupt zeichnet sich Aldrichs Film, neben der grossartigen darstellerischen Leistungen, vor allem durch seine formalen Qualitäten aus - präzise kadrierte schwarz/weiss Bilder, eine musikalische Untermalung die mal trügerisch heiter, mal extrem enervierend ausfällt, und eine meisterhaft spannungsorientierte Montage, welche den bedrohlichen Tenor des Films eindrucksvoll unterstreicht.

Blanche ist Gefangene in ihrem eigenen Haus und wird von ihrer Schwester, die zwanghaft neurotisch darum ringt den Ruhm frührerer Zeiten wieder aufleben zu lassen, in denen Sie jedoch stets im Schatten ihrer erfolgreicheren Schwester stand, terrorisiert. Zuerst noch ganz subtil, indem Sie Ihr die Lust auf die Nahrungsaufnahme nimmt, als sie ihr zunächst ihren Wellensittich und dann eine tote Ratte serviert, gegen später dann aber auch mit körperlicher Gewalt, als sie Blanche mit den Füssen tritt, ans Bett fesselt, knebelt, und ihre damit jede Möglichkeit nimmt Kontakt zur Aussenwelt aufzunehmen. Der Horror des Films kommt langsam, aber brutal, nicht nur da er hier ausschliesslich zwischen Frauen, sondern sich auch hauptsächlich auf psychologischer Ebene stattfindet.

Der wahre Grund für Janes Demut und dem Verständnis ihrer grausamen Schwester gegenüber offenbart sich erst in den letzten Minuten des Films - er hinterlässt jedoch einen weniger starken Eindruck als all das, was der Zuschauer und Blanche zuvor durchlitten haben - ein filmisches Martyrium der Extraklasse, wie es nur ganz, ganz wenige Regisseure (Kubrick mit Shining oder eben Hitchcock mit Psycho) derart auf den Punkt gebracht und mit einer solchen formalen Brillianz umgesetzt haben.

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