16.3.08 - We Own the Night
We Own the Night ist ein klassischer Genrefilm der im Gangstermilieu ansiedelt ist: er handelt von einem ungleichen Bruderpaar, der eine, erfolgreicher Polizist, sozusagen ein Vorzeigeschwiegersohn, der andere, gleichermassen schillerende wie zwielichtige Figur der New Yorker Nachtclubszene, und um ihren Vater, einem hochrangigen, alternden Polizeikomissar, der verzweifelt versucht die Integrität der Familie trotz vieler Wiedrigkeiten aufrecht zu erhalten. Konflikte sind dabei natürlich vorprogrammiert - während Mark Wahlberg den smarten Cop mit Karriereambitionen mimt und damit genau in die Fussstapfen seines Vaters tritt, spielt Joaquin Phoenix den verstossenen Sohn in dessen Schatten, der sein Leben auf der anderen Seite des Gesetzes lebt, und nur wenig an einem klassischen Werdegang interessiert scheint.
James Grays Film ist stilistisch zwar eher zurückhaltend im Vergleich zu vielen anderen Vertertern des Genres, dafür aber umso eleganter und effektiver in Szene gesetzt: die düsteren, nüchternen Farben der Häuserschluchten und in den Polizeirevieren stehen in einem starken Kontrast zu den warmen Gelb- und Rottönen, die dem Milieu einen verruchten, träumerischen Anstrich geben und die beiden Welten bereits optisch deutlich voneinander abgrenzen. Doch je mehr der Film voranschreitet, desto mehr vermischen sich diese Farbwelten zu einem grimmigen, soghaften Grau, das die zunehmende Ausweglosigkeit der Figuren und den schicksalhaften Verlauf der Geschichte symbolisiert: die Familie wird verstärkt zum Ziel der russischen Mafia, die mit gnadenloser Härte gegen ihre Ermittler vorgeht. Phoenix alias Bobby gerät dabei immer mehr in einen Konflikt zwischen seiner Umwelt, die den Nährboden für kriminelle Aktivitäten bildet, und seinem Bruder und seinem Vater, die unerbitterlich dagegen vorgehen. So ist Grays Film nicht nur optisch, durch den Verzicht auf Stilmittel wie Flashcuts, Rückblenden, besonders hippe Musik oder sonstigen Schnörkel äusserst geradlinig und zielstrebig inszeniert, sondern auch rein inhaltlich eine Reduktion auf die elementaren Bestandteile des Genres: der Kampf von Gut gegen Böse, und zwischen den Fronten die Familie als Zielscheibe an der sich alles scheidet.
In dieser Ruhe und Konzentration Grays auf das Wesentliche liegt die Kraft die seinem Film in vielen denkwürdigen Szenen innewohnt - herausragend z.B. der klaustrophobische Streifzug durch ein Drogenlabor, als Bobbys Atem und Herzschlag jedwede musikalische Untermalung vollkommen ersetzt um dem nervenaufreibenden Suspense einen ganz eigenen Rhythmus aufzudiktieren (der später sogar noch kumuliert als ihm einer der Gangster den Puls erfühlt), oder die Autoverfolgungsjagd durch strömenden Regen, eine atemberaubend montierte Actionszene, statt mit musikalischen Ablenkungsmanövern ebenfalls nur mit Geräuschen unterlegt, die an Intensität ihresgleichen sucht, und an deren nüchternem Ende Bobbys Ohmacht lediglich von einer sanften, kaum merklichen Melodie unterstützt wird. Frühe Höhepunkte im Film, welche die Dramaturgie jedoch keineswegs zu früh abschwächen, sondern das konstant hohe Spannungsniveau des Films bis zum enervierenden Finale aufrecht erhalten. Sicherlich kommen nicht alle Wendungen im Film einerseits überraschend, oder anderseits logisch und konsequent daher, doch bleiben sie stehts nachvollziehbar und im Rahmen der genrebedingten Parameter schlüssig und der Erzählung dienlich: besonders natürlich Bobbys rasante Wandlung vom Saulus zum Paulus, die angesichts der Bedrohung, die er für sich und seine Familie wittert, durchaus plausibel scheint. So wird man von Beginn an mit den moralischen Ambivalenzen beider Welten konfrontiert, und selbst das versöhnliche Ende ist weniger positiv als es auf den ersten Blick erscheint - zwar haben die Brüder durch die tiefe Kriese wieder zueinander gefunden, doch zu welchem Preis?
Ingesamt ist James Grays We Own the Night also eine handfeste Überraschung die hierzulande leider ziemlich untergegangen ist, und angesichts viele anderer, weitaus prominenterer Gangsterfilme des vergangenen Jahres wie etwa The Departed, American Gangster oder Eastern Promises, wohl schnell wieder in Vergessenheit geraten wird. Zu Unrecht, denn weder drängt sich in We Own the Night das tolle Darstellerensemble in den Vordergrund wie in Scorseses aufgeblähtem The Departed, oder verliert er sich in purem Plagiatismus wie Ridley Scott mit American Gangster, noch langweilt er mit oberflächlichem Familienkitsch ala Eastern Promises von David Cronenberg. Drei namenhafte Regisseure, die mit ihren jüngsten Werken meines Erachtens allesamt über ihr Ziel und ihren Anspruch hinausgeschossen sind, während der bis dato doch recht unscheinbare James Gray als lachender Vierter von dannen ziehen kann, mit dem Gewissen zwar beileibe kein völlig makelloses Meisterwerk abgeliefert zu haben, aber sicherlich den emotionalsten und spannendsten Gangsterfilm der letzten Jahre, dessen konsequentes Destillat die Konkurrenz in Bezug auf Form und Inhalt locker übertrifft - und sei es auch nur wegen der drei hervorragend choreographierten Actionsequenzen und einem begnadeten Joaquin Phoenix.
Am 18. März 2008 um 09:07 Uhr
Ausnahmsweise bin ich mal wieder einer Meinung mit Dir.