6.12.07 - Rescue Dawn
Das Intro ist trügerisch - es zeigt grobkörnige Bilder von einem mit sphärischen Klängen unterlegten Bombenangriff, der, obwohl es sich dabei offensichtlich um Vietnam handelt, doch recht fremdartig und distanziert wirkt. Es ist ein Stil den man bereits von anderen Filmen Herzogs, z.B. aus Fata Morgana oder von Lektionen der Finsternis, kennt, und dessen Faszination vor allem aus dieser unvoreingenommenen, fast schon ausserirdischen Sichtweise auf unseren Planeten rührt. Nach nur wenigen Minuten schält Herzog jedoch auf präzise und fokussierte Bilder um, und spult eine erstaunlich geradlinige, schnörkellose und konventionell erzählte Spielfilmvariante seiner Dokumentation “Little Dieter needs to fly” ab. Diese kommt zwar auch nicht ohne fiktionale Elemente aus (welche zusammen mit den dokumentarischen Anteilen zu Herzogs sogenannter “extatischer Wahrheit” verschmelzen), stützt sich aber fast vollkommen auf die stete Präsenz und die Erzählungen Denglers, während er in Rescue Dawn die Ereignisse vollständig fiktional nachverfilmt. Herzog hat es sich aus Gründen der Authenzität (oder Gewohnheit?) dennoch nicht nehmen lassen den Film nicht etwa im Studio oder irgendwo in den USA zu drehen, sondern vor Ort in Thailand, und so strahlen die Bilder etwas ähnlich sogartiges, lebendiges und energetisches aus wie seine früheren Dschungelfilme Aguirre oder Fitzcarraldo: nebelverhangene Gebirgszüge, dichte Flora und Fauna und reissende Flüsse bilden auch in Rescue Dawn die Kulisse für eine aussergewöhnliche Geschichte über einen Menschen, der in einer Extremsituation über sich hinaus wächst, sich tollkühn gegen die Natur auflehnt, und dabei stets einem unweigerlichen Drang nach Freiheit folgt. Es ist das Porträit eines Menschen der seine Profession als Soldat eigentlich nur dazu benutzt hat um seinem eigentlichen Traum, den vom Fliegen, näher zu kommen, und so wirkt Dieter Dengler auch in Rescue Dawn weniger wie ein Soldat, als wie ein unermüdlicher Optimist, der zur falschen Zeit am falschen Ort gelandet ist, und sich zunächst gar nicht bewusst scheint in welch prekärer Lage er sich eigentlich befindet. Nicht anders ist es zu erklären dass Dengler, hier gespielt von Christian Bale, fast schon höflich grinsend durch das Dorf der Vietnamesen stolpert und sich beinahe etwas naiv darüber wundert dass der Konflikt nun schon über zwei Jahre andauert, ehe er dann kurz darauf bereits zum Ersten mal gefoltert wird. Dengler selbst erzählt in “Little Dieter needs to fly” oft enthusiastisch von dieser Zeit, doch gelingt es Herzog nicht immer diese Intensität auch in Rescue Dawn auf den Zuschauer zu übertragen, obwohl er sichtlich versucht dessen erzählerischen Höhepunkte möglichst getreu wiederzugeben. So fehlt bspw. weder die Stelle mit der Schuhsohle, die expliziten Details über die hygenische Notsituation, noch der tragische Tod seines Freundes. Doch trotz aller Wiedrigkeiten, die der Film mit dem akribisch geplanten Ausbruchs schildert, wirkt er ab und an vielleicht etwas zu entrückt, die Bilder einen Tick zu hypnotisch, der Dschungel eine Prise zu romantisch, die Musik eine Winzigkeit zu verträumt, die Vietcong für einen Moment zu höflich. Und dennoch funktioniert er auf einer ganz einfachen und eindimensionalen Spannungsebene, zieht uns mit, berührt uns, lässt uns mitfiebern und an Denglers Schicksal teilhaben, bis zum erlösenden Happy End. Rescue Dawn kann aber wohl nicht zuletzt auch als Teil eines spannenden Experiments über filmische Narrationsstrategien und Rezeptionsarten gesehen werden, und als anschauliches Beispiel einer “Theorie” Herzogs dienen, dass die filmische Wahrheit irgendwo zwischen Realität und Fiktion zu suchen ist. Rescue Dawn unterstreicht nämlich umso mehr, welche Kraft seinen semidokumentarischen Filmen innewohnt, die die Limitierungen des traditionellen Erzählkinos, wie sie ihm in Rescue Dawn überall begegnen, geradewegs aufbrechen, und er etwas völlig neues und einzigartiges daraus kreiert. Und so findet schliesslich auch Rescue Dawn, als leichter verdauliche Variante von Denglers atemberaubender Geschichte, die sich jedoch mehr auf die Faszination des Fliegens als auf die eigentliche Flucht aus Laos stützt, zu ihrer Existenzberechtigung, und sei es nur um “Little Dieter” noch etwas stärker zu bewerben.