29.9.07 - Das Millionenspiel
1970 in Deutschland, das Medium Fernsehen ist gerade einmal zarte 18 Jahre alt als ein Fernsehfilm die Gemüter erregt. Der WDR zeigt “Das Millionenspiel”, eine bissige, zynische Satire auf das manipulative Wesen der Flimmerkiste, auf die Absurdität damals noch gar nicht existierender Realityformate, und auf das traurige Leitmotiv heutiger TV-Kultur: “anything goes - Hauptsache die Quote stimmt”. Erkenntnisse, die damals aber eigentlich noch gar nicht getroffen werden konnten, da die Grundlage hierfür, also entsprechende Sendungen und Formate welche aus diesem Quotendruck resultierten, doch erst viele Jahre später enstanden sind. Trotz simulierter Realität mutet das Millionenspiel dennoch eher an wie eine düstere Vision der Zukunft, die eine pervertierte Medienlandschaft zeigt wie wir sie heutzutage jedoch gar nicht mehr anders kennen. Natürlich findet dabei auch eine gewisse Überzeichnung statt, da die Gesundheit des Kandidaten in dieser Show, der sich für eine Million Mark Gewinnsumme von Profikillern jagen lässt, an einem seidenen Faden hängt, jedoch macht das die Tatsache, dass viele Zuschauer diesen Film damals für bare Münzen hielten und entrüstet beim Sender anriefen, oder sich gar als Kandidat oder Killer bewerben wollten, noch umso erschreckender. Sofort werden Erinnerungen an Orson Welles wach, dessen fiktive Radioreportage in den 30er Jahren über die Landung Ausserirdischer auf Erde wohl ebenso für Aufruhr in der Bevölkerung sorgte und die Macht der Medien eindrucksvoll demonstrierte. Dass dem Film derart viel Selbstreflexivität innewohnt macht ihn sicherlich zu einem der interessantesten Anschauungsobjekte für alle möglichen Felder Rund um das Thema Fernsehen und Unterhaltung, und filmische Wirkmechanismen im Allgemeinen: nicht selten verschwimmen für den Zuschauer die Ebenen der Realität und Fiktion, ist unklar aus welcher Kameraperspektive aus das Geschehen im Moment verfolgt wird, ob aus Sicht des Regisseurs, oder aus Sicht der Kameraleute die die Bilder für die Sendung liefern. Doch auch die Sendung selbst beherrscht und thematisiert das Spiel von filmischer zu echter Realität: um die Sendung am Laufen und die Zuschauer bei Laune zu halten werden immer wieder vermeintlich zufällige Bürger als barhmherzige Samariter auserkoren und gefeiert, “scripted reality” würde man heutzutage wohl dazu sagen, um auch dem Zuschauer am Schirm das Gefühl der unmittelbaren Teilnahme und der Interaktion zu vermitteln. Und als wäre das alles noch nicht aufregend genug, fiel auch die Wahl der Darsteller für diesen Film nicht weniger spekatkulär aus, wenn man bedenkt welche damals noch unbekannten, heute aber längst prominenten Gesichter daran beteiligt waren: allen voran Dieter Thomas Heck, der hier in der Rolle als Moderator des Millionenspiels glänzt und seine Bestimmung als Showmoderator auf Lebenszeit bereits vorwegnimmt, über den Dauerkomiker Didi Hallervorden, der hier in einer seiner ganz wenigen ernsten Rollen einen eiskalten Profikiller mimt, bis hin zu Heribert Fassbinder als skrupellosen Produzenten des Millionenspiels, der sich in späteren Jahren als Sportkommentator einen Namen machen sollte. Der Film weist also nicht nur ob seines Sujets geradezu beängstigend prophetische Qualitäten auf. In seiner treffsicheren Voraussicht ist das Millionenspiel wohl eine Ausnahmeerscheinung in der deutschen Filmgeschichte: geschmacklose Werbeunterbrechungen, käufliche Aufmerksamkeit, gläserne Kandidaten… was damals wie ein Horror- szenario gewirkt haben muss, ist heute längst Teil unseres medienüberfluteten Alltags geworden der von entwürdigenden Formaten nur so strotzt, und im Millionenspiel lediglich überzeichnet wurde. So war der Film also nicht nur seiner Zeit weit vorraus, sondern scheint gerade in der heutigen Zeit eine überaus brilliante Mediensatire abzugeben, da ihre angeschlagenen Themen so präsent wie nie zvor in der Geschichte des Fernsehens erscheinen. Ein Film so amüsant, aufwühlend, schockierend und überraschend wie Rolf Olsens Blutiger Freitag: man glaubt es erst, wenn man es mit eigenen Augen gesehen hat.
Am 2. Oktober 2007 um 01:52 Uhr
Zu dem wollte ich auch schon lange mal was geschrieben haben..
Stimme Dir auf jeden Fall in allen Punkten zu.
Am 2. Oktober 2007 um 10:28 Uhr
ui, du kennst den schon? :cheers:
Am 2. Oktober 2007 um 12:30 Uhr
Japp.
Und sogar noch auf der Festplatte meines Recorders rumliegen. Seit zwei Jahren oder so..
Am 2. Oktober 2007 um 12:32 Uhr
Toller Film. Leider wird er viel zu selten im TV gezeigt.
Am 2. Oktober 2007 um 20:29 Uhr
haa … ich hab mir am samstag erst LA ANTENA gekauft, der eine “ähnliche thematik” (also fernesehen und dessen manipulative macht über die bevölkerung) hat soweit ich das von dem text auf der packung her beurteilen kann. hab von dem davor noch garnix gehört aber das artwork/der style haben mich voll angesprochen … ma´kucken.
aber was du hier schreibst hört sich schwer interessant an. muss ich auch mal sehen!