2.9.07 - Death Proof
Die Zweifel haben sich bestätigt - Tarantino liefert mit Death Proof seinen bis dato mit Abstand schwächsten Film ab. Er, der mit Pulp Fiction einst die Filmwelt der 90er auf den Kopf stellte, der unheimliche viele, aber nur selten auch nur annähernd so gute Nachahmer mit sich zog die auch noch Jahre später wie gierige, nach Erfolg lechzende Parasiten von den kreativen Auswüchsen und der Coolness seiner stilbildenden Filme zehren, scheitert nun ausgerechnet in seiner Königsdisziplin, vergessene oder längst tot geglaubte alte Kamellen des abseitigen Kinos durch kreatives Zitatespiel wieder zum Leben zu erwecken.
Keiner verstand es wie er, einstigen Nieschenfilmen neuen Glanz und Würde zu verleihen, in dem er sie spielfreudig wie ein kleines Kind in seinen Tarantino- Kosmos entführte. Doch nicht nur die Filme bzw. ihre Genres erfuhren durch ihn ganz neue Aufmerksamkeit und Anerkennung, sondern alles was dazugehört: ehemalige Sexsymbole wie Pam Grier, Musiklegenden wie Dusty Springfield, abgehalfterte Serienikonen wie David Carradine, asiatische Altstars wie Sonny Chiba… für ihn gehörten sie alle ausnahmslos zu seiner Wundertüte, die er stets liebevoll und geradezu detailbesessen zu schnüren wusste. So ist auch der Grindhouse-Gedanke an sich ja kein neuer, sondern vielleicht nur ein bis zur Spitze getriebener Versuch, jenes verruchte Kino, welchem er bereits in vielen seiner vorherigen Filme schon zuhauf huldigte, mit Hilfe eines durchgestylten Double-Features nochmals aufleben zu lassen. Doch hier macht er bereits den entscheidenen Fehler - gerade eben weil Tarantino mit allen Mitteln der Kunst versucht dem Filmgefühl von damals gerecht zu werden (nicht ohne Grund simuliert er Abnutzungserscheinungen wie fehlende Frames, Verschmutzungen des Bildmaterials etc.), sie zu huldigen, zu lobpreisen, ihren Geist heraufzu- beschwören, ist all dieser zwanghafte Vorsatz, dem dieses Werk in all seinen Facetten zugrunde liegt, bereits der erste Schritt in die falsche Richtung: denn statt echtem Grindhouse bekommt der Zuschauer vielmehr eine verklärte und aufpolierte Vorstellung desselbigen vorgesetzt, was vor Selbstzitaten ausserdem nur so strotzt. Es fängt schon damit an dass Tarantino mal wieder seinen Fussfetisch zelebriert, und hört schliesslich bei der x-ten Kill Bill Referenz auf, die einem als Kenner der Filme schon beinahe peinlich berührt, weil man doch recht plump darauf gestossen wird: statt garstigem Grindhouse gibt es Kill Bill Klingeltöne, den Redneck-Sheriff und seinen Sohn Nummer Eins, und, wer hätte es geahnt, natürlich auch eine Referenz an Buck (”…and I’m here to fuck”).
Dabei liefert ausgerechnet Kill Bill die Zitate die Death Proof verzweifelt sucht, und so schafft es Tarantino letztendlich nur durch Umwege über seine eigenen Filme genau das zu erreichen, was er sich bei diesem Projekt als Leitmotiv auf die Fahne geschrieben hat. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit Tarantino überhaupt daran interessiert war seine Gedanken auszuformulieren, ob er nur ein grösseres Interesse an seinen eigenen Werken pflegen wollte, oder ob er schlichtweg in einer kreativen Sackgasse steckt und mangels Inspiration auf Bewährtes zurückgreifen musste. Dem geneigten Tarantino-Kenner fällt also zuallererst auf, dass Death Proof vor allem auf audiovisueller Ebene Grindhouse vorgaukelt, er sich die meiste Zeit jedoch selbst zitiert und den Zuschauer eben diese Zitate freudig erkennen und erraten lässt. Um sich dabei aber nicht völlig in Eitelkeiten zu verlieren streut Tarantino immer wieder Häppchen aus, damit sich entsprechend fachkundiges Publikum nicht etwa im falschen Film wähnt. So wird bspw. das exzellente New Hollywood Roadmovie Vanishing Point mehrmals namentlich erwähnt, um auch jeden, der ihn noch nicht kennt, als Outsider zu entlarven, ganz so wie es auch einem der Mädels im Film ergeht. Das wirkt alles nicht nur ziemlich erzwungen und selbstverliebt, sondern hat auch noch nicht einmal besonders viel mit Grindhouse zu tun - Death Proof macht zwar keinen Hehl daraus mindestens so cool sein zu wollen wie Vanishing Point, nicht umsonst handelt fast der gesamte zweite Abschnitt des Films davon das legendäre Auto aus jenem Film zu finden und zu fahren, und dennoch, so scheint es, hat Tarantino nicht ganz verstanden was diesen Film auszeichnet, ganz zu schweigen davon dass Vanishing Point eigentlich gar kein typischer Grindhousefilm ist. Death Proof steuert mit Vollgas in verschiedene Richtungen, unschlüssig welches die Richtige zu sein scheint.
Death Proof versteht sich zwar als Roadmovie (die beiden Frauengrüppchen und Stuntman Mike sind die meiste Zeit des Films in Autos unterwegs), erreicht jedoch nie annährend die rohe Kraft und Magie seines Vorbildes, mit dem er bei genauerem Hingucken eigentlich kaum mehr als den Wagen gemeinsam hat: denn dort ist der Dodge Challenger der heimliche Hauptdarsteller des Films, nicht etwa sein wortkarger Fahrer Kowalski, während dagegen bei Tarantino der gesprächige Mike im Mittelpunkt steht, der sich zusammen mit seinen Opfern in Tarantino-typischer Geschwätzigkeit suhlt, und dadurch kaum Raum für die tollen Autos übrig lässt die hier beinahe zur Staffage verkommen - eine finale Verfolgungsjagd reicht da eben nicht aus, einen ansonsten eher behäbig vor sich hindümpelnden Plot, der auch noch zwei Anläufe braucht bis er so richtig in Fahrt kommt, als rasantes Roadmovie zu verkaufen. Überhaupt tut er sich mit der Idee, seine Figuren nach etwa der Hälfte des Films einfach mal so auszutauschen, keinen allzu grossen gefallen: bevor man sich nämlich für die Mädchen interessieren und begeistern kann sind diese bereits Geschichte, und alles fängt wieder von vorne an. Inzwischen hat man also ganze acht mehr oder weniger verschiedene junge Frauen kennengelernt, von denen sich jedoch keine einzige als Identifikationsfigur anbietet, und somit auch der Effekt verpufft dass man um das erste Quartett trauert, während man mit den nächsten Vier umso eifriger mitfiebert. Man vermisst den Tarantino-Effekt: die Figuren sind nicht nur austauschbar, sondern werden auch einfach nach belieben ausgetauscht und bleiben somit stets unnahbar. So wirkt auch das Finale, in dem Mike ordentlich eins auf die Fresse bekommt, eher befremdlich denn erlösend. Doch selbst dessen Figur ist derart schwach gezeichnet, dass er sich aus seiner weinerlichen Rolle heraus kaum als kultischer Tarantino-Charakter eignet: zwar bleibt Tarantino seiner Linie treu, in dem er einen fast schon faltigen Kurt Russell für diese Rolle auserkoren hat, jedoch bleibt auch dieser, selbst im Angesicht der ganzen Jungschauspieler um sich herum, erstaunlich blass. Von Jungle Julia und Stuntman Mike wird in ein paar Jahren daher wohl kaum jemand mehr reden - von Mr. Pink, Vincent Vega, Jackie Brown und Beatrix Kiddo bestimmt auch noch die nächste Generation Tarantino-Jünger. Und sind seine früheren Dialoge wieder dorthin zurückgeflossen wo er sich ursprünglich bedient hat, der Popkultur, so werden einem aus Death Proof höchstens die panischen Schreie von Zoe Belle (übrigens die Stuntfrau aus Kill Bill) im Gedächtnis bleiben, die festgeschnallt auf der Motorhaube vergeblich darauf wartet dass sie ihre Chauffeurin mit einem geschickten Bremsmanöver aus der brenzligen Situation erlöst.
Um nach der ganzen Kritik dann doch auch noch ein paar lobene Worte finden, die sich der Film ja durchaus verdient hat, obwohl er für einen Tarantino-Film wirklich enttäuschend ist, sollte man z.B. den hervorragenden Soundtrack nicht unerwähnt lassen. Hier ist Tarantino wieder ganz in seinem Element und stellt ein buntes vergnügliches Pottpuri aus meist weniger bekannten Songs aus vergangenen Jahrzehnten zusammen, die er kongenial und mit dem gewohnt tollen Gespür für Timing unterzubringen weiss. So gibt es durchaus Momente die den Film zu einem soliden Unterhaltungsfilm machen, doch das kann nicht der Anspruch sein den man an einen Tarantino stellt, der sich das Lob sonst immer allzuleicht verdient. Doch die Zeiten, in denen er einfach nur mit dem Finger schnippen musste sind wohl auch für ihn vorbei, auch in Anbetracht dass das Grindhouse-Konzept aufgrund der missglückten Vermaktung von Mirmamax in den USA ziemlich gefloppt ist, und am bisher unantastbaren Tarantino wenn auch nur eine kleine, aber sicher nicht ganz harmlose Wunde hinterlassen hat.
Mit Death Proof steht er jedenfalls mehr denn je an einem Scheideweg, an dem er sich gut überlegen sollte wohin es in Zukunft für ihn gehen soll: kopiert er sich zusehends selbst, oder zeigt er Mut und entwickelt sich weiter, denn zumindest Death Proof hat mit dem lässig aufspielenden Tarantino der 90er leider nur noch wenig zu tun, sondern eher mit verkrampfter, selbstverliebter Coolness die man sonst nur von seinen Nachahmern kennt.