2.10.06 - Borat


“Jagshemash!”

Kritisieren faellt nicht allzu schwer, besonders dann nicht, wenn die Fakten fuer einen sprechen. Filme wie die von Michael Moore bieten jedoch auch gerade deshalb eine ueberdimensionale Angriffsflaeche, da sich deren Faktenlage beinahe beliebig in Frage stellen und anfechten laesst, je nach dem von welcher Warte aus diese betrachtet wird. Doch wann sind Fakten schon eindeutig? Kritik auszueben, die nicht auf das blosse Aufzaehlen von Zahlen und mutmasslichen Wahrheiten beruht, sondern sich vielmehr subtileren, unaufdringlichen, dafuer aber auch umso eindringlicheren Kunstkniffen bedient, scheint dagegen weniger banal oder belehrend, und erst recht nicht, wenn sie auch noch intelligent und unterhaltsam zugleich an das Publikum herangetragen werden soll.

Subtil ist Borat natuerlich keine Sekunde, jedenfalls nicht an der Oberflaeche. Ganz im Gegenteil, einen derart brachialen, derben und mitunter auch voellig geschmacklosen Humor hat man selten gesehen. Man muss also schon fuer einen kurzen Moment innehalten um zwischen den ganzen Absurditaeten und zwerchfellzerreissenden Zoten herauszufiltern, was zu filtern ist - eine clever verpackte Kritik an den Vereinigten Staaten von Amerika. Eine Kritik, die sich am steilen Kontrast zum Ostblockstaat Kasachstan formiert, in dessen Namen Borat sich einem dokumentarisch aufbereiteten Kulturaustausch unterzieht.

Zwischen all den lustigen Szenen verstecken sich naemlich die nachdenklichen, ungeheuerlichen, ja manchmal sogar unglaublichen Momente. Es sind Momente von entbloessender Ehrlichkeit, herausgefordert durch die unkonventionelle Vorgehensweise Borats, dessen Gespraechspartner meist sehr zuegig entlarvt werden, als waeren sie ploetzlich nackt, oder haetten soeben ihre Seele an einen dahergelaufenen Kasachen verkauft. Sein gesellschaftskritischer Streifzug fuehrt ihn dabei durch die verschiedenen Bundesstaaten und deren Schichten und Gruppierungen: Feministinnen, Cowboys, fanatische Christen, Politiker, Intellektuelle, Ghettokids, Prostituierte oder trinkfeste Studenten - nichts und niemand ist vor Borat und seinen entwaffnenden Fragen sicher.

Der bewusst halbdokumentarische Stil fuehrt aber nicht nur seine “Opfer” hinters falsche Licht, sondern laesst auch den Zuschauer nicht selten im unklaren darueber was nur kuenstlich inszeniert, und was tatsaechlich trauriger Ernst ist. Und genau in dieser absichtlichen Weigerung, sich keiner Seite der Medallie anzubiedern, und sich auch nicht leichtfertig kategorisieren und pauschalisieren zu lassen, liegt die ungeheure Kraft dieses Films. Er fuehlt sich eben einfach anders an - weder wie eine platte Komoedie, die ihre wenigen Hoehepunkte einer ausgehungerten Meute selbstzweckhaft zum Frass vorwirft, noch wie eine ausschliesslich an ernsthafter Kritik interessierten Dokumentation, die sich und ihr Anliegen derart wichtig nimmt, dass man sich die Koepfe darueber zerschlagen muesste.

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