10.3.05 - Carandiru

Carandiru, der in seinem Ursprungsland scheinbar mehr Aufsehen erregt hat als der allseits bekannte City of God, hat hierzulande leider noch keine grosse Beachtung gefunden. Dabei steht er dem neuen filmischen Aushaengeschild Brasiliens kaum nach. Ganz im Gegenteil. Mit seiner zurueckhaltenden, weniger stilisierenden Machart hat er ihm sogar etwas vorraus. Alle hier vorgestellen Charaktere werden mit einem gewissen emotionalen Abstand vorgestellt die dem Zuschauer keine festgefahrene Meinung erlaubt. Es werden zwar die (manchmal erschreckend banalen) Ursachen der veruebten Verbrechen gezeigt, dies geschieht dann aber ohne besondere Wertigkeit. Vielmehr werden aus einer vornehmen Distanz heraus die vorherrschenden Misstaende anhand dieses prominenten Vorfalls aufgearbeitet. Geringe sexuelle Aufklaerung, ueberfuellte Gefaengnisse, unzureichende medizinische Versorgung und ruecksichtsloses Vorgehen der Polizei. Es verwundert kaum dass die Bevoelkerung deren Eingriffe sogar mehr fuerchtet als Uebergriffe durch Kriminelle. Carandiru ist ein Film der trotz seiner ordentlichen Laufzeit keine nennenswerten Laengen aufweist und trotz eines so ernsten Themas zu unterhalten weiss, und gerade deswegen auch als kleiner Kunstgriff verstanden werden sollte. Es fehlt naemlich weder an dezent ironischem Humor noch an einer aussagekraeftigen Message. Spektakulaere Kameraspielereien oder einen aufdringlichen Soundtrack sucht man dagegen vergebens. Dass sich Regisseur Hector Babenco formal keinen Zacken aus der Krone gerissen hat kommt dem Wirkungsgrad des Films aber durchaus zugute. Es bot sich allein schon durch die Tatsache dass der Originalschauplatz zur Verfuegung stand genug Moeglichkeiten fuer eine besonders authentische Darstellung der Ereignisse.

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