10.2.06 - Walk the Line
Walk the Line ist ein kleines Juwel. Nicht, dass er jetzt aussergewoehnlich spektakulaer inszeniert waere, oder dass er eine ausgefeilte Spannungskurve zu bieten haette, nein, es ist einfach die Stimmung, der Zeitgeist und die besondere Naehe zu den Figuren womit der Zuschauer die kurzweiligen 136 Minuten ueber beatmet wird. Die bedeutsamten Stationen von Cashs Laufbahn werden behandelt, und das sind nicht unbedingt immer die musikalischen, sondern vor allem die starken Praegungen durch ganz private Ereignisse, wie den fruehen Tod seines Bruders, die aufgezwungenen Schuldgefuehle durch seinen Vater, oder aber auch seine Problem-Ehe mit Vivian Cash und die staendige Ablehung durch June Carter. Es wurde hier also beileibe keine unkritische Glorifizierung einer Person geschaffen, sondern vielmehr ein sehr persoenliches und ehrliches Potrait ueber den Mann, Musiker und Vater Johnny Cash, einem Menschen der immerzu auf einem schmalen Grat wandelte, der oft strauchelte aber bis zuletzt hartnaeckig die Balance hielt. Dem Umstand, dass ihn June Carter nach einem langen Leidensweg schliesslich doch noch von den Drogen losloesen konnte ist es wohl zu verdanken dass es ueberhaupt zum legendaeren Folsom-Prison Konzert gekommen ist, welches den erzaehlerischen Rahmen des Films markiert. Cash bekam seine zweite Chance, und war dafuer so dankbar dass er einen Sinn dafuer entwickelte, selbst dejenigen von der Gesellschaft laengst Abgeschriebenen, Respekt zu erweisen und von vertanen, aber auch verdienten neuen Chancen zu erzaehlen und zu singen, der Ursache und dem Geheimnis seines grossen Erfolges. Es kommt ja selten vor dass ich darstellerische Leistungen besonders hervorhebe, aber was Joaquin Phoenix und Reese Witherspoon hier leisten ist einfach gespenstisch gut. Ich habe lange nicht mehr eine derart magische Anziehungskraft eines Buehnen- paaerchens gespuert wie bei den beiden. Dass sie die Songs zudem auch noch selber singen ist ein anerkennungswuerdiger Bonus, und ganz bestimmt keine Selbstverstaendlichkeit. Die Songauswahl geht von seinem vielleicht wichtigsten Song, “Folsom Prison Blues”, ueber den namensgebenden “I Walk the Line” und einigen Duetten mit June bis zu ihrem Vermaehlungslied “Ring of Fire”. Obwohl Johnny und June schon seit beinahe drei Jahren tot sind, beschleicht einen hier stets das Gefuehl dass sie diesen beiden irdischen Vertretern ihren letzten Segen noch mit auf den Weg geben konnten.