4.6.06 - Jeder fuer sich und Gott gegen alle


“Wozu sind eigentlich die Frauenzimmer gut?”

Was passiert eigentlich, wenn man einem Menschen all jenes verwehrt, was ihn ueberhaupt erst zu einem Menschen machen wuerde, was ihn vom Tier unterscheidet? Die Geschichte von Kaspar Hauser ist die eines solchen menschlichen “Rohlings”, wie ihn Werner Herzog selbst beschreibt, der eines Tages aus seinem Gefaengnis befreit und ganz still und leise der Gesellschaft ueberlassen wurde. Mit einer offenherzigen und entfesselten Dramaturgie verfolgen wir nun gespannt dessen ersten, rudimentaeren Rohschliff bis hin zur musischen Veredelung, die seinen neuen Beschuetzern jedoch nur zu einem gewissen Teil gelingt, denn wir sehen auch, wie Kaspar mit seinen bis zuletzt unschuldig, naiven Fragen und Antworten die Grundfesten dieser Gesellschaft peinlich genau seziert und schliesslich sogar vollstaendig aushebelt, als ihm z.B., in einer der ergreifendsten Szenen des Films, ein Mathematikprofessor eine Logikaufgabe stellt, und Kaspar diese auf seine ganz eigene Art und Weise zu loesen vermag die den Professor voellig ausser sich zuruecklaesst. Auch dem Konstrukt des Glaubens an eine hoehere Entitaet wiedersetzt sich sein zurueckgebliebener Verstand, der fuer uns jedoch mehr Erkenntnisse zu liefern bereit ist, als die zahlreichen Versuche seiner Mentoren ihn zu einem besseren oder in ihren Augen vollwertigen Menschen machen zu wollen. Es ist die entbloessende Ehrlichkeit mit der Werner Herzog hier zu Werke geht, die den Film vom anfaenglichen Zustand eines solchen Rohlings bis zu dem eines geschliffenen Juwels verhilft, dessen tragische Figur bis zuletzt die Chance verwehrt wurde so akzeptiert zu werden wie sie ist, und fuer die am Ende dann doch nur eine medizinisch nuechterne Erklaerung uebrig bleibt.

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