30.9.08 - The Shooting
Die abrupte Exposition, die Dekonstruktion diverser Westernmythen, die undurchdringlichen Charaktere, das desillusionierende Ende, aber auch die eigenwillige Ästhetik und Umsetzung, die sicherlich auch auf das stark begrenzte Budget zurückzuführen ist, machen The Shooting zu einer Seherfahrung der besonderen Art. Eher dem (Spät-)Westernkino von Peckinpah statt den klassischen Hollywoodwestern von Hawks oder Ford zuzuordnen, ist Hellmans Vorstellung des wilden Westens eine denkbbar düstere und komplexe, die mehr Fragen aufwirft als dass sie beantwortet.
Als Gegengewicht dazu steht Hellmans minimalistischer Inszenierungsstil: die recht banale (Rache-)Geschichte, die überschaubare Menge an Charakteren und Schauplätzen, sowie die vielen dialogarmen Passagen bilden einen deutlichen Kontrast zu dem zerrütteten Innenleben der Charaktere. Ziellos irren Sie in der Steppe umher, einer vermeintlichen Spur folgend, die zunächst noch durch fruchtbares Land führt, dann aber immer karger und erbarmungsloser wird, und Mensch und Tier schliesslich die letzten Kräfte raubt. Für Hellman scheint ihr Weg das eigentliche Ziel - der unbedingte Wille, der Drang nach vorne, immer weiter zu gehen, egal was sie erwartet, verrät letztendlich mehr über sie als der Moment der Erlösung auf den der Film akribisch hinarbeitet. In einer kurzen, verwirrenden Zeitlupensequenz zerstört Hellmann die akribisch aufgebaute Erwartungshaltung des Zuschauers, nur um in den letzten Sekunden vor dem Abspann die Prämisse, die der Filmtitel mit sich bringt, schliesslich doch noch einzulösen. Die Suche nach der Sinnhaftigkeit hinter der verbissenen Jagd wird zu einer Allegorie auf die menschliche Existenz: Wer sind wir? Was suchen wir? Wohin geht die Reise? Das vermeintliche Ziel scheint den Protagonisten immer einen Schritt vorraus, ein Schemen am Horizont, und schliesslich, als sie es erreichen, ein Schatten ihrer selbst, eine banale Erkenntnis die in Windeseile verpufft und nichts als Tod zurücklässt. Hellman entlarvt die Jagd als einen Akt der Verzweiflung auf der Suche nach sich selbst, und verpackt diese Parabel über den Sinn des Lebens in ernüchternde, trostlose Bilder ohne Hoffnung, und in surrealen Szenerien in die sich die Figuren vollkommen verlieren, und ihrem vorbestimmten Schicksal bewusst aber machtlos entgegensehen.
Nach gerade mal 80 Minuten ist dieser atemberaubende Ausritt in die Untiefen der menschlichen Existenz vorbei, und hinterlässt dabei nichts als Ratlosigkeit und Leere. The Shooting und ist der beste Beweis dafür, dass selbst dem platt ausgewälzten Western-Genre immer wieder neue Aspekte abgerungen, sowie neue Bilder und Stimmungen gefunden werden können. Ein stilles, heimliches Meisterwerk, das sich nahtlos in die Folge der düsteren Western wie Ride the High Country, McCabe and Mrs. Miller, Dead Man, oder wie jüngst auch The Assassination of Jesse James einreiht.