10.8.08 - Stuck


“Wait until dark, dump hiss ass in the park!”

Stuart Gordon mausert sich in seinen späten Jahren immer mehr zu einem der kreativsten und interessantesten Autoren des abseitigen B-Kinos - nach seinem grimmigen Drama Edmond, in dem William H. Macey als Misantroph New York aufmischte, überrascht er mit seinem neusten Film, Stuck, nun schon zum zweiten mal innerhalb kurzer Zeit mit einer subversiven Auslotung menschlicher Abgründe in unserer heutigen Gesellschaft. Zwar wird Stuck dem Publikum, wohl bedingt durch Gordons filmische Vergangenheit, vielmehr als Horrorthriller verkauft, doch offenbart sich schon auf den ersten Blick dass es sich bei Stuck um etwas mehr als nur um blosse spannungsorientierte Fleischbeschau handelt. Bereits das Intro, welches mit ernomem Mut zur Hässlichkeit und verstörender Gegensätzlichkeit inszeniert wurde (das Pflegepersonal eines Krankenhauses geht, unterlegt von harten HipHop Beats, seinen täglichen, mitunter höchst unappetitlichen Geschäften nach), zeigt, dass Gordon hier mehr im Sinn hatte als “nur” hochwertige Spezialeffekte aufzufahren und somatische Reaktionen zu provozieren. Vielmehr scheint er mit Stuck ironisch überspitzt zeigen zu wollen, wie schnell der Mensch heute aus dem grobmaschigen sozialen Raster fallen kann, bzw. was er alles dafür tun würde um genau dies zu verhindern.

Stuck fühlt sich an wie ein subtiler, höchst zynischer Kommentar zur Lage einer Nation, in der der Aufstieg des Einen den Fall des Anderen bedingt: Kranken- schwester Brandi, die für ihre anstehende Beförderung über Leichen geht, und Penner Tom, der just seinen Job und dann auch noch seine Wohnung verlor, treffen unheilvoll aufeinander. Im Drogenrausch überfährt sie ihn mit dem Auto, und versucht daraufhin fortan, er in ihrer Windschutzscheibe festklemmend, schnell wieder los zu werden. Bereits die Einführung der Charaktere gelingt Gordon famos - Brandi scheint das nette und allseits beliebte Mädchen, das sich ihre Beförderung redlich verdient hat, während Toms rasanter Abstieg auf die Parkbank Mitleid erregt - nach einem Tag voller bürokratischer Schikane wird er von der Polizei des Stadtparkes verwiesen, und ab diesem Zeitpunkt zu einem Problem für die Beteiligten dass es zu beseitigen gilt. Er wird von A nach B verschoben, gefahren, gezerrt und gezogen, da keiner die Verantwortung für seinen miserablen Zustand übernehmen will. Für Brandi ist er lediglich ein Klotz am Bein ihrer Beförderung der entfernt werden muss - so schreckt sie auch nicht davor zurück ihren Freund die schmutzige Arbeit erledigen zu lassen, egal wie, hauptsache schnell.

Geschickt zwängt Gordon den Zuschauer in die verschiedenen Täter-/Opfer-Perspektiven hinein: letztendlich ist die kaltblütige Brandi das Spiegelbild einer kalten, egoistischen, spass- und erfolgsorientierten Ellenbogengesellschaft, in der kein Platz für Schwäche ist. Überstunden? Samstagsarbeit? duckmäuserisch hofft sie auf den ersehnten beruflichen Aufstieg, und trotz schlechten Gewissens lässt sie mit Sex, Drogen und Alkohol ihr langsam ausblutendes Problem in der Garage vergessen machen. Auch die hispanische Familie ein Haus weiter geht dem Problem ihrer Nachbarn bewusst aus dem Weg, da sie eine Abschiebung fürchten, würden sie die Polizei zur Hilfe rufen. Erst als alles zu spät ist und Opfer zu beklagen sind, horcht die Nachbarschaft auf und übt sich in heuchlerischer Zivilcourage.

Stuart Gordon ist mit Stuck ein ziemlich unbequemer, dezent schwarzhumoriger Film gelungen, eine beängstigende Reflektion gesellschaftlicher Zustände, die das Hässliche in den Menschen wenig zimperlich aber treffsicher herauskehrt, genüsslich und völlig frei von platten Belehrungen oder stumpfer Moral kritisch auseinandernimmt, und dabei noch im höchsten Masse unterhält. Eine kleine Meisterleistung eines immer grösser werdenen Regisseurs.

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