4.6.08 - Punk’s Not Dead
Punk’s Not Dead - ein prominenter Slogan der hier als Aufhänger für eine Dokumentation herangezogen wurde, die sich dem Punkrock-Phänomen, das nun schon gute 30 Jahre auf dem Buckel hat, auf unterhaltsame, aber auch auf kritische Art und Weise nähert. Gleichermassen melancholischer Rückblick wie pessimistische Gegenwartsbetrachtung werden in Punk’s Not Dead anhand von diversen Interviewschnipseln und Konzertaussschnitten die verschiedenen Stadien der Punkbewegung voneinander abgegrenzt, beleuchtet, und unter dem gemeinsamen Genrebegriff mehr oder weniger wieder zusammengeführt. Das fängt bei den (meist noch politisch motivierten) Punks der ersten Stunde wie Black Flag, UK Subs, Subhumans, The Adicts, The Ramones und The Sex Pistols an, geht dann weiter über die zweite (die melodische) Generation mit NOFX, The Offspring, Bad Religion, Rancid, Pennywise und Green Day, und hört schliesslich auf bei den heutigen Pop/Fun-Punk Bands wie Good Charlotte, Sum 41 und My Chemical Romance.
Ohne vorschnelle Werturteile zu fällen gelingt es dem Film die vorhandenen Schnittmengen, aber auch die eklatanten Unterschiede zwischen den verschiedenen Punk-Generationen peu-a-peu herauszuschälen. So kommt er damit natürlich unweigerlich an einige Scheidepunkte die Grundlage für hitzige Auseinandersetzungen sind: war die Gründerzeit noch stark vom DIY-Gedanken (do-it-yourself) geprägt, also die bewusste Abgrenzung vom Kommerz und dem Streben nach Perfektion, so vermissen die alten Punks gerade jenen bei ihren Nachfolgern schmerzlich. Andererseits zeigt die Doku aber auch anhand von Beispielen, dass sich Punk-Attitüde und Erfolg und Professionalität nicht zwingend voneinander ausschliessen müssen, da die “message” mitunter so auch ein viel grösseres Publikum erreichen kann. Überaus kritisch wiederum die Sicht auf Punk als reiner Modetrend der inzwischen sogar schon die Teenies und die grossen Modeketten erreicht hat - hier vermissen die Altpunks jegliche Substanz, die damals vor allem auf politischen Einstellungen und Überzeugungen gründete. Doch selbst die Kritik, dass die heutigen Punksongs nur noch von coolen Partys oder kitschigen Liebesbeziehungen handeln, wird hier mit Gegenbeispielen zumindest soweit entkräftet (die Ramones und die Buzzocks haben z.b. auch diverse Liebeslieder geschrieben), dass die Doku stets einen neutralen Blick wahrt und dem Zuschauer das finale Urteil überlässt.
Punk’s Not Dead schildert den langsamen aber stetigen Weg des Punk raus aus dem Underground, hinein in den Mainstream, und zeichnet dabei einen lebendigen, bunten Querschnitt in dem die jeweiligen Grössen der drei Generationen ausreichend zu Wort kommen, und deutet schliesslich auf eine eher ungewisse Zukunft hin, die irgendwo zwischen Modetrend, Reunions, aber womöglich auch in einem neu aufkeimenden Underground zu finden ist. Die Verortung des Punk in der Popkultur kommt dabei ebenso wenig zu kurz wie eine ungezwunge, humorvolle Sichtweise auf das “Generationenproblem”: in diversen Ausschnitten aus Fernsehserien wie etwa O.C., Quincy oder Gilmore Girls werden die verschiedenen Epochen bzw. Ausprägungen des Punk reflektiert - mal als fremdartig anmutender Krawall, mal als stilbildende Jugendbewegung, mal in eingestreuten, Comic-Strips die von Selbstironie nur so durchzogen sind, und die auch in diversen Gesprächen mit den Altpunks immer wieder aufblitzt. Diese veritable Menge Altpunks die hier zu Wort kommen werden dabei besonders unter die Lupe genommen: die wilden Kerle von damals sind inzwischen meist schon über 40, haben Familien gegründet, stehen aber immer noch hinter denselben Idealen die sie damals schon vertreten haben, und strahlen diese auch immer noch mit voller Überzeugung aus. Die Doku zeigt durch kurze aber intime Einblicke in ihre Privatsphäre dass Punk keine sache des Alters, sondern in erster Linie eine Frage der Einstellung ist.
So kommt die Doku schliesslich auch zur Konklusio die sich ja bereits in ihrem Titel angedeutet hat, dass Punk eigentlich gar nie ganz weg war, sondern heute, nach fast 30 jährigem Bestehen, die Ideale, zumindest in den Altpunks, immer noch munter weiterleben. Die Punks von damals sind mit ihren treuen Fans gealtert, und sind immer noch, oder inzwischen wieder, auf Tour, in denselben kleinen schäbigen Clubs von damals, mit derselben rauhen Stimme, und derselben Überzeugung. do-it-yourself. Eine weitere Beobachtung des Films ist jene, dass die jüngeste Generation grössenteils nur noch vereinzelte Elemente der ursprünglichen Punk-Bewegung in sich trägt, vor allem eben die äusserlichen, die inhaltlichen Elemente aber weitgehend auf der Strecke geblieben sind. Die heutigen Punks haben sich dem Mainstream angepasst, von der Mode bis hin zur einstudierten Bühnenchoreographie (äusserst amüsant: eine Szene in der drei jüngere Punks im Takt auf der Bühne hüpfen, in Zeitlupe und mit einen Walzer unterlegt) - die Not und das Elend auf der Welt (Kriege, soziale Ungerechtigkeit etc.) wird von den Neupunks dagegen kaum mehr besungen. Während die Altpunks Kritik an dieser Verwässerung üben, sind sich die jungen Nachfolger meist respektvoll ihrer Wurzeln bewusst, obwohl sie dann doch ihren eigenen Weg beschreiten, der sich zwar nicht immer, aber durchaus auch mit dem ihrerer Vorbilder kreuzt.
Mit einem Schlusswort von Social Distortion Frontmann Mike Ness beendet der Film seinen äusserst gelungenen Rückblick auf 30 Jahre Punk, und leitet mit einem positiv gestimmten Song, der an dieser Stelle kaum passender gewählt sein könnte, die Credits ein: “if the kids are united, they will never be divided.”